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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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annektierten das betreffende Gebiet, das westliche Griqualand, 1871 und gliederten es der Kapkolonie an. Das war eine Herausforderung an den ohnehin starken Nationalismus der burischen «Afrikaander» und trug viel dazu bei, das Verhältnis zwischen den Briten und den burischen Republiken Transvaal und Oranje weiter zu verschlechtern. Einen weiteren Beitrag leistete die extreme Dürre der Jahre 1876 und 1877. Mehrere schwarze Stämme versuchten, neues Land für sich zu erobern, darunter auch solches, das von weißen Siedlern bewirtschaftet wurde. Im Kampf mit dem Stamm der Bapedi erlitten die Buren von Transvaal 1876 eine schwere Niederlage, was Großbritannien zum Anlaß nahm, Transvaal zu annektieren. Im Jahr darauf brach ein Krieg zwischen den Zulus, einem Großstamm der (damals «Kaffern» genannten) Bantus, aus – nach britischer Zählung der neunte «Kaffernkrieg». Er endete 1878 mit der «Befriedung» des Gebiets durch die britische Kolonialmacht.
    Der weiteren Entwicklung drückte der neu ernannte Gouverneur der Kapkolonie und Hohe Kommissar für Südafrika, Sir Bartle Frere, der zuvor Gouverneur von Bombay gewesen war, seinen Stempel auf. Während das Kolonialministerium in London auf Kompromisse mit den Zulus drängte, setzte der Gouverneur in Kapstadt auf Konfrontation. Sein Ziel war es, das südliche Afrika bis hin zu den Südgrenzen der alten portugiesischen Besitzungen in Angola und Moçambique britischer Kontrolle zu unterwerfen. Er nutzte die lange Zeit, die die Übermittlung von Nachrichten, auch die telegraphische, von Europa nach Afrika und umgekehrt noch immer in Anspruch nahm, um vollendete Tatsachen zu schaffen.
    Der neue Krieg gegen die Zulus war, wie Disraelis Biograph Robert Blake zu Recht schreibt, «Frere’s war». Er begann mit einer schweren Niederlage der zahlenmäßig weit unterlegenen Briten bei Isandhlwana am 22. Januar 1879. Die Kolonialmacht war gezwungen, Verstärkungen zu schicken. Zu den Freiwilligen, die am Feldzug teilnahmen, gehörte der einzige Sohn des im Januar 1873 im englischen Exil in Chislehurst gestorbenen ehemaligen französischen Kaisers Napoleon III. Der Prince Impérial, Napoleon, fiel am 1. Juni 1879. Fünf Wochen später, am 4. Juli, gelang es dem kommandierenden General von Natal, Lord Chelmsford, die Streitmacht von Cetewayo, dem Anführer der Zulus, zu zerschlagen.
    Die Schlacht von Isandhlwana und wenig später das Massaker von Kabul hatten weitreichende Auswirkungen auf die britische Innenpolitik. Die Liberalen, allen voran Gladstone, richteten scharfe Angriffe auf die aus ihrer Sicht verantwortungslose Kolonialpolitik der konservativen Regierung. Was sie Disraeli vorwarfen, ließ sich in einem Wort bündeln: Es hieß «Imperialismus». Mit diesem Begriff war zur Zeit des zweiten französischen Kaiserreichs (konkurrierend mit «Cäsarismus» und «Bonapartismus») das Regime Napoleons III. bedacht worden. Im Zusammenhang mit der Übernahme des Titels «Empress of India» durch Queen Victoria hatte der liberale «Spectator» am 8. April 1876 den Begriff erstmals auf Disraeli und damit auf England angewandt. Unter der Überschrift «English Imperialism» schrieb das Blatt, der gefährliche Fortschritt der Demokratie, den der gegenwärtige Premier mehr als jeder andere zeitgenössische Politiker beschleunigt habe, öffne jedem Staatsmann den Weg, der zu Allianzen mit den Vorurteilen und der Unwissenheit der Massen bereit sei. «Despotische Dekrete, die durch Plebiszite ratifiziert werden, sind die Lieblingswerkzeuge des französischen Imperialismus.» Disraeli habe schon im Frühstadium seiner Karriere eine Politik angestrebt, die einerseits die Krone erhöhe und andererseits die Wünsche der Massen befriedige, was die konstitutionellen Beschränkungen für beide leicht erträglich machen dürfte. Eine solche Politik sei in Europa immer noch möglich und habe selbst in England eine Chance.
    Zwei Jahre später bemerkte der britische Kolonialminister Lord Carnarvon, das Wort «Imperialismus», das sich erst seit kurzem verbreitet habe, sei nicht frei von Verworrenheit (not free from perplexity). «Ich habe von imperialer Politik und von imperialen Interessen gehört, aber Imperialismus als solcher scheint mir eine Neuschöpfung zu sein» (Imperialism, as such, is a newly coined word to me). Daß gerade Disraeli liberale Kritiker zu Vergleichen mit Napoleon III. herausforderte, lag ebenso an seiner Politik wie an seiner Rhetorik. Immer wieder beschwor er die

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