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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Berechtigung behaupten, daß bei ihnen alle Macht vom Volk ausgehe, das Volk mithin der Souverän sei. Gleichwohl dachten die Gründerväter nicht daran, «government» mit «the people» gleichzusetzen. In voller übereinstimmung mit der Botschaft der «Federalist Papers» schreibt Willi Paul Adams: «Sie fanden vielmehr Zustimmung für ein konstitutionelles System, das durch die Übertragung der Regierungsgewalt an die gewählten Repräsentanten und den Schutz von Grundrechten government ohne Obrigkeit und Volkssouveränität ohne unmittelbare Ausführung des Willens der Vielen möglich machte.»[ 221 ]
    Was immer die «Federalist Papers» im Hinblick auf die Meinungsbildung der Delegierten bewirkt haben mögen, der Ratifizierungskonvent von New York nahm schließlich Ende Juli 1788 die Verfassung mit der knappen Mehrheit von 30 zu 27 Stimmen an. Hätten die Föderalisten nicht in der Frage des von ihnen zunächst entschieden abgelehnten Grundrechtekatalogs eingelenkt und versprochen, sich für eine Bill of Rights einzusetzen, wäre das positive Ergebnis nicht zustande gekommen. In mehreren anderen Staaten, außer in dem schon erwähnten Massachusetts auch in Pennsylvanien, Virginia und New Hampshire, war ähnlich hart um die Ratifizierung gekämpft worden, doch auch hier obsiegten zuletzt die Föderalisten. In New Hampshire fiel die Entscheidung am 21. Juni 1788. Der Neuengland-Staat war der neunte, der die Verfassung ratifizierte. Damit war die Mindestzahl von Staaten erreicht, die für das Inkrafttreten der Verfassung erforderlich war. Die letzten beiden Staaten, die ihr nach langem Zögern verspätet doch noch zustimmten, waren North Carolina im November 1789 und Rhode Island im Frühjahr 1790.
    Im September 1788 trat der Verfassungskonvent nochmals zusammen, um die organisatorischen Vorbereitungen für die ersten Wahlen auf nationaler Ebene, die des Präsidenten, des Repräsentantenhauses und des Senats, zu treffen. Sie fanden in den ersten Monaten des Jahres 1789 statt. Am 4. Februar wählte das Wahlmännergremium einstimmig den Mann zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der am meisten zur Erringung der Unabhängigkeit beigetragen hatte: George Washington. Am 1. April konstituierte sich das Repräsentantenhaus und am 6. April der Senat. Am 30. April leistete Washington seinen Amtseid. Als vorläufige Hauptstadt hatte der Konvent New York bestimmt. 1790 fiel die Entscheidung, eine neue Hauptstadt am Ufer des Potomac zu errichten. Als die obersten Verfassungsorgane im Jahre 1800 dorthin umzogen, trug die Stadt bereits den Namen des ersten Präsidenten, der 1797, nach Ablauf seiner zweiten Wahlperiode, aus dem Amt geschieden und am 14. Dezember 1799 gestorben war: Washington.
    An der Verfassungsdebatte hatte nur eine Minderheit der Amerikaner Anteil genommen. Nachdem die Verfassung in Kraft getreten war, fand sie rasch allgemeine Anerkennung, so daß die stolzen Eingangsworte der Präambel «We, the People of the United States, … do ordain and establish this Constitution of the United States of America» (Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, … setzen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika in Kraft) der Wirklichkeit allmählich so nahe kamen, wie es angesichts der Beschränkungen des Wahlrechts möglich war. Das Werk des Konvents verwandelte den lockeren Staatenbund in einen festgefügten Bundesstaat und half eine neue Nation zu schaffen – «the First New Nation», wie der Soziologe Seymour Martin Lipset 1963 ein Buch über die USA betitelt hat.[ 222 ]
    Die neue Nation war, so der Titel eines 1964 posthum erschienenen Buches von Präsident John F. Kennedy, eine «Nation von Immigranten». Die Einwanderer waren aus Europa über den Nordatlantik gekommen und kamen später auch aus anderen Teilen der Welt, um als freie Bürger in einem freien Land mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ein neues Leben zu beginnen, also Amerikaner zu werden. Ein anderer Begriff, mit dem sich die Vereinigten Staaten charakterisieren lassen, ist der der «föderativen Nation». Der Historiker Dieter Langewiesche hat diesen Begriff mit Blick auf Deutschland geprägt. Er paßt aber, da die Bildung des Bundesstaates von den Einzelstaaten ausging und diese in der Union nach wie vor eine maßgebliche Rolle spielen, auch auf die Vereinigten Staaten von Amerika.
    Die Nationsbildung war mit dem Abschluß der Staatsgründung noch längst nicht beendet. Aber es gab ein Ziel dieses Prozesses:

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