Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
verbrannten Erde; etwa 35.000 burische Farmen wurden niedergebrannt, die burischen Zivilisten, überwiegend Frauen und Kinder, in Konzentrationslager eingesperrt, wo 28.000 durch Epidemien umkamen – etwa ein Zehntel der burischen Bevölkerung. Aussichtslos wurde die Lage der kämpfenden Buren, als Lord Kitchener, der britische Oberkommandierende, sie mit Hilfe eines Gitters aus Blockhäusern und Stacheldrahtzaun auf immer enger werdendem Raum einzupferchen begann. Im Mai 1902 begannen, nachdem die Briten die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation fallen gelassen hatten, Friedensverhandlungen an einem Ort mit dem symbolträchtigen Namen Vereeniging. Zwei Wochen später wurde der Friedensvertrag unterzeichnet. Er brachte den Verzicht auf die Unabhängigkeit der beiden Republiken Transvaal und Oranje. Im Gegenzug versprach Großbritannien den baldigen Übergang zu weitgehender Selbstregierung, eine Vertagung des Problems des Wahlrechts der Schwarzafrikaner bis dahin, Hilfe beim wirtschaftlichen Wiederaufbau und eine großzügige Amnestieregelung.
Nach ihrer militärischen Niederlage siegten die Buren auf politischem Gebiet: Sie setzten in Südafrika eine Politik der strikten Rassentrennung durch, die Großbritannien um des inneren Friedens zwischen Briten und Buren willen akzeptierte. Der von beiden Seiten erstrebte Zusammenschluß der Kolonien Kapland, Transvaal, Oranje und Natal zu einer Südafrikanischen Union als Dominion im Britischen Empire erfolgte 1910 auf der Grundlage einer eher unitarischen als föderalistischen Verfassung, die das Wahlrecht zum Parlament nur der weißen Bevölkerung zugestand. Offen blieb zunächst die Zukunft der Protektorate Basutoland, Betschuanaland und Swaziland. Die Afrikaner schwarzer Hautfarbe, die in der Hoffnung auf Gleichberechtigung und Umverteilung des Bodens die Briten im Burenkrieg unterstützt hatten, mußten die Haltung Londons als opportunistische Kehrtwende, ja als Verrat empfinden, und der 1912 gegründete Afrikanische Nationalkongreß tat das. Aber für Großbritannien entsprach die Haltung, die es in Südafrika einnahm, einem in Kanada, Australien und Neuseeland erprobten Muster: der Machtübertragung an die weiße Oberschicht in Kolonien, in denen es eine solche Schicht in hinreichender Stärke gab.
Der Burenkrieg war in England zunächst sehr populär, wozu auch die scharfen Angriffe beitrugen, die die burenfreundliche Presse Deutschlands und Frankreichs gegen Großbritannien richtete. Die Londoner Regierungsparteien, die seit 1895 zunehmend als «Unionists» auftraten und als Einheit empfunden wurden, nutzten die anfängliche nationale Hochstimmung, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Im September 1900, kurz nach der Annexion von Transvaal und Oranje, löste Premierminister Salisbury das Unterhaus auf. Den Wahlkampf führten Tories und Liberal Unionists unter Chamberlains Führung vor allem mit der Parole, jede Stimme für die Liberalen sei eine Stimme für Krüger. (Tatsächlich waren die Liberalen hinsichtlich des Krieges gespalten: In der Unterhausfraktion standen sich die Lager der Burenfreunde oder «Little Englanders» um John Morley, einen der entschiedensten Vorkämpfer der Home Rule für Irland, der liberalen Imperialisten mit Lord Rosebery an der Spitze und der ausgleichenden Mitte um den Parteivorsitzenden Sir Henry Campbell-Bannerman gegenüber.) Das Kalkül der Unionisten ging auf: Die «Khakiwahlen», benannt nach der Farbe der Armeeuniformen, wurden zum innenpolitischen Höhepunkt des britischen Imperialismus. Die Regierungsparteien konnten sich, wenn sie auch gegenüber 1895 18 Mandate verloren, sicher an der Macht behaupten.
Der Ausgang der «Khakiwahlen» war auch der Erfolg eines Verbandes, der seit einigen Jahren versuchte, auf die öffentliche Meinung im nationalen und imperialen Sinn Einfluß zu nehmen: der 1895 gegründeten Navy League, des Vorbilds des Deutschen Flottenvereins. Ihr Ziel war es, der Nation die existentielle Bedeutung der maritimen Überlegenheit Englands vor Augen zu führen und der Marineleitung den Rückhalt in den Massen zu verschaffen, den sie brauchte, wenn England der Herausforderung durch die deutsche Flottenrüstung trotzen wollte. 1913 zählte die Navy League 126.000 Mitglieder. Zu diesem Zeitpunkt wetteiferte sie bereits seit fünf Jahren mit der noch militanter auftretenden Imperial Maritime League, die nicht davor zurückschreckte, der Marineleitung fehlende Durchsetzungskraft im Kampf um den Bau
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