Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Nationalliberalen hielten sich in Hinblick auf diese Forderung auffallend zurück. Das Zentrum und die Konservativen betrachteten Politik als einen Bereich, von dem Frauen sich am besten fernhielten.
In der Frauenbewegung sah es nicht viel anders aus. Für die volle Emanzipation der Frau fochten Sozialistinnen wie Clara Zetkin und Luise Zietz. Die bürgerliche Frauenbewegung war in sich gespalten. Der linke Flügel um Hedwig Dohm, Minna Cauer und Anita Augspurg sah in dem Frauenwahlrecht ein Gebot der Demokratie, während dies für die gemäßigten Kräfte um Helene Lange keine aktuelle Forderung war. Der 1894 gegründete parteipolitisch neutrale Bund deutscher Frauenverbände erhob zwar 1907 das aktive und passive Stimmrecht für Frauen zu einem Programmpunkt, ließ aber offen, ob es in Form des Reichstagswahlrechts, des preußischen Dreiklassenwahlrechts oder eines Pluralwahlrechts zu verwirklichen war. Verglichen mit dem, was die englischen Suffragetten um Emmeline Pankhurst unternahmen, um die Gleichberechtigung der Frauen durchzusetzen, war die deutsche Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgesprochen gemäßigt.[ 28 ]
Abschied von der «splendid isolation»: Großbritannien 1886–1914
Das Land, in dem Deutschland seinen Rivalen schlechthin sah, stand seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zwei Jahrzehnte lang fast ununterbrochen unter konservativer Vorherrschaft: Nach den Unterhauswahlen vom Juli 1886 war der Führer der Tories, der Marquess Robert Cecil of Salisbury, mit Hilfe abtrünniger Liberaler, der «unionistischen» Gegner von Gladstones «Home Rule» für Irland um die Führer der altliberalen Whigs und der progressiven Radikalen, den Marquess of Hartington, seit 1891 Duke of Devonshire, und Joseph Chamberlain, ins Amt des britischen Regierungschefs gelangt, das er endgültig erst 1902 aufgab.
Eine dreijährige Unterbrechung seiner Regierungszeit gab es nur in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Nach einem liberalen Wahlerfolg trat 1892 mit Unterstützung der Abgeordneten der Irish National Party ein drittes Mal William Gladstone an die Spitze der Regierung, scheiterte aber im Jahr darauf mit einem erneuten Versuch, Irland die «Home Rule» zu gewähren, am House of Lords und trat im Februar 1894 zurück. Sein Nachfolger, Lord Rosebery, im Gegensatz zu Gladstone ein bekennender Imperialist, demissionierte nach einer Abstimmungsniederlage im Juni 1895. Den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilte die Queen Victoria Lord Salisbury, der eine Koalitionsregierung aus Konservativen und Liberal Unionists bildete. Joseph Chamberlain, der das wichtige Amt des Schatzkanzlers hätte übernehmen können, entschied sich für das des Kolonialministers, weil er hoffte, von dieser Position aus der britischen Außenpolitik seinen, einen entschieden imperialistischen, Stempel aufdrücken zu können.
Eine erste Gelegenheit hierzu fand Chamberlain bereits wenige Monate, nachdem er die Leitung des Colonial Office übernommen hatte. Im November 1895 trat sein Ministerium einen Teil des Protektorats Betschuanaland an die von Cecil Rhodes, dem Premierminister der Kapkolonie, geleitete British South Africa Company ab. Rhodes und Chamberlain trafen sich in ihrem Interesse an der Burenrepublik Transvaal, die sich seit 1894 Südafrikanische Republik nannte. Transvaal war auf Grund seiner großen Gold- und Diamantenvorkommen der reichste Teil Südafrikas. 1886 waren am Witwaterstrand neue Goldminen entdeckt worden, die das Gebiet für England wirtschaftlich noch attraktiver machten, als es ohnehin schon war. Um Transvaal mit der Kapkolonie zu vereinen, sollten sich, so weit es nach Rhodes und Chamberlain ging, die zahlreichen in der Südafrikanischen Republik lebenden britischen «Uitlanders» gegen die Herrschaft der Buren erheben; die von einem gewissen Dr. Starr Jameson geführte Privatarmee der British South Africa Company stand in diesem Fall bereit, ihnen zu Hilfe zu kommen. Was Chamberlain nicht wollte, Rhodes aber zumindest nicht zielstrebig verhinderte, war ein eigenmächtiges Losschlagen von Jameson, wie es dann am 30. Januar 1895 stattfand.
Der Kolonialminister versuchte noch im letzten Augenblick, die Aktion zu verhindern, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Der «Jameson Raid» scheiterte, ohne daß es zu größeren Kampfhandlungen kam. Das hinderte den an Südafrika interessierten deutschen Kaiser Wilhelm II. nicht daran, in Abstimmung mit dem Berliner Auswärtigen Amt dem
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