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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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ging der von Bulgarien aus gesteuerte Unabhängigkeitskampf unvermindert weiter; Mazedonien versank immer mehr in Anarchie.
    Ein anderer Krisenherd waren die vier von Albanern besiedelten Wilajets (Verwaltungsbezirken) des Osmanischen Reiches. Bis zur Revolution der Jungtürken hatten sich die Albaner, die in ihrer Mehrheit Muslime waren, durch besondere Loyalität gegenüber dem Sultan ausgezeichnet und immer wieder bedeutende osmanische Heerführer und Offiziere hervorgebracht. Seit im Gefolge des Regimewechsels Muslime und Christen in denselben militärischen Formationen Dienst tun mußten, genossen die muslimischen Albaner keine Sonderstellung mehr. Sie rückten damit ihren orthodoxen und katholischen Landsleuten näher: eine Entwicklung, die sich verstärkte, als unter den Jungtürken Versuche einsetzten, die muslimischen Albaner sprachlich und kulturell zu türkisieren. Im Frühjahr 1910 begann in dem an Montenegro angrenzenden Wilajet Skutari ein Aufstand; wenig später forderte ein Revolutionäres Zentralkomitee Autonomie für die vier von Albanern bewohnten Wilajets. Die Aufstandsbewegung griff kurz darauf auch auf den Süden und im Mai 1912, nach dem Sieg der Jungtürken bei den türkischen Parlamentswahlen, auf das Kosovo über.
    Unter dem Eindruck der Entwicklung in den mazedonischen und albanischen Wilajets schlossen Bulgarien und Serbien, von den russischen Gesandten in Sofia und Belgrad nachhaltig unterstützt, im März 1912 ein geheimes Bündnis, das im Mai durch eine Militärkonvention ergänzt wurde. In den folgenden Monaten wurde durch bilaterale Verträge aus dem Bündnis zwischen Sofia und Belgrad ein Balkanbund mit vier Partnern: Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland. Der Pakt richtete sich in erster Linie gegen die Türkei; Serbien und Montenegro faßten aber auch eine Aufteilung des von Österreich-Ungarn okkupierten Sandschak von Novi Pazar ins Auge. Den Krieg mit dem Osmanischen Reich sollte das kleinste Mitglied der Allianz, Montenegro, auslösen, das zu diesem Zweck von Bulgarien finanziell unterstützt wurde; von Rußland erhielt es bereits seit der Bosnienkrise von 1908/09 Geldmittel und Waffen.
    Die treibende Kraft des Krieges gegen die Türkei war Bulgarien. Der russische Ministerpräsident Kokowzow hätte eine friedliche Verständigung mit Konstantinopel vorgezogen, wollte den Krieg aber, wenn er denn nicht zu verhindern war, in jedem Fall auf Südosteuropa beschränken. Eine ähnliche Position bezogen die anderen Großmächte, von denen nur eine, Österreich-Ungarn, ein unmittelbares Interesse am Balkan hatte. Am 8. Oktober 1912 erklärte Montenegro der Pforte den Krieg. Die anderen drei Vertragspartner stellten der Türkei Ultimaten zu, die diese mit Kriegserklärungen an Bulgarien und Serbien beantwortete; Griechenland trat auf Grund seines Bündnisses mit Bulgarien in den Krieg ein.
    Der Koalitionskrieg gegen die Türkei, der als Erster Balkankrieg in die Geschichte einging, brachte den bulgarischen und serbischen Truppen rasche Siege. Zeitweilig schien sogar Konstantinopel von den bulgarischen Truppen bedroht, was Rußland in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Doch dann kam der Vormarsch der Bulgaren an der stark befestigten Tschatschalda-Linie, etwa 40 Kilometer vor der Hauptstadt, zum Stehen. Mitte November machte die Türkei Bulgarien ein Friedensangebot; Anfang Dezember wurde ein türkisch-bulgarischer Waffenstillstand vereinbart, dem Serbien und Montenegro sich anschlossen. Im gleichen Monat begannen in London unter Vorsitz von Außenminister Grey Friedensverhandlungen, wobei auf der einen Ebene die Partner des Balkanbundes mit der Türkei, auf der anderen die sechs Großmächte untereinander konferierten. Auf türkischen Widerstand stieß nur die Abtretung von Adrianopel und den Inseln der ägäis.
    Der Streit hierüber führte am 6. Januar 1913 zum Abbruch der Verhandlungen. Vermutlich hätte die türkische Regierung unter dem Druck der Großmächte auch in diesen beiden Fragen nachgegeben; aber am 23. Januar putschten erneut die Jungtürken, diesmal unter Führung von Taalat Bey und Enver Pascha, was die verbündeten Balkanstaaten zum Anlaß nahmen, den Krieg fortzusetzen. Das Ergebnis war eine abermalige Niederlage der Türkei. Im Londoner Frieden vom 30. Mai 1913 mußte sie auf ihr gesamtes europäisches Gebiet westlich der Linie Enos-Midia und die Inseln der ägäis verzichten. Albanien war von dieser Regelung ausgenommen. Über seinen Status und seine

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