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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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des Proletariats heben, das seine volle Klasseneigenart bewahrt. Sie wollen, daß das Volk, d.h. das Proletariat und die Bauernschaft, mit der Monarchie und der Aristokratie auf ‹plebejische Manier› fertig wird, indem es die Feinde der Freiheit vernichtet, ihren Widerstand mit Gewalt bricht und dem verfluchten Erbe der Leibeigenschaft, des Asiatentums und der Schändung der Menschen keinerlei Konzessionen macht.»
    Lenins neue Losung hieß: «revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft». Diese Diktatur war die Vorbedingung des Fortschreitens von der bürgerlichen zur sozialistischen Revolution. «Das Proletariat muß die demokratische Umwälzung zu Ende führen, indem es die Masse der Bauernschaft an sich heranzieht, um den Widerstand des Absolutismus mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung der Bourgeoisie zu paralysieren. Das Proletariat muß die sozialistische Umwälzung vollziehen, indem es die Masse der halbproletarischen Elemente der Bevölkerung an sich heranzieht, um den Widerstand der Bourgeoisie mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung der Bauernschaft und der Kleinbourgeoisie zu paralysieren … Die demokratische Umwälzung ist bürgerlich … Wir Marxisten müssen aber wissen, daß es keinen anderen Weg zur wirklichen Freiheit des Proletariats und der Bauernschaft gibt und geben kann als den Weg der bürgerlichen Freiheit und des bürgerlichen Fortschritts. Wir dürfen nicht vergessen, daß es in der gegenwärtigen Zeit ein anderes Mittel weder gibt noch geben kann, um den Sozialismus näher zu bringen, als die volle politische Freiheit, als die demokratische Republik, die revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft.»
    Aus dem Scheitern der Revolution von 1905 zog Lenin drei Lehren. Die erste war die, «daß nur der revolutionäre Massenkampf imstande ist, einigermaßen ernste Verbesserungen im Leben der Arbeiter und in der Verwaltung des Staates durchzusetzen». Die zweite Lehre war die, «daß es nicht genügt, die Macht des Zaren zu untergraben, einzuschränken. Sie muß vernichtet werden». Die dritte und wichtigste Lehre bestand darin, «daß wir gesehen haben, wie die verschiedenen Klassen des russischen Volkes handeln … Als die Revolution bis zum entschiedenen Kampf gegen den Zaren, bis zum Dezemberaufstand des Jahres 1905 gediehen war, da haben die Liberalen durch die Bank die Freiheit des Volkes gemein verraten und sind vom Kampf abgeschwenkt … Die Liberalen waren die Betrogenen. Die Bauern haben eine harte, aber nützliche Lehre erhallten … Jetzt (im November 1910, als Lenin den Artikel «Die Lehren der Revolution» für die «Rabotschaja Gaseta» schrieb, H.A.W.) ist die zaristische Selbstherrschaft wiederhergestellt, wieder herrschen und regieren die Fronherren, überall triumphieren asiatische Willkür der Behörden und gemeine Verhöhnung des Volkes. Aber die harten Lehren sind nicht vergeblich gewesen. Das Proletariat hat das Volk kämpfen gelehrt. Das Proletariat wird es zum Siege führen.»
    Im Jahre 1912 schien manches den revolutionären Optimismus Lenins zu rechtfertigen. Nach ihrer organisatorischen Verselbständigung gelang es den Bolschewiki, die Menschewiki aus einer Reihe von Gewerkschaften und den Selbstverwaltungsorganen der Kranken- und Unfallversicherung in St. Petersburg und Moskau zu verdrängen. Dabei halfen den Bolschewiki auch die Gelder, die sie sich durch Überfälle auf Banken und Postwagen verschafft hatten: Finanzierungsmethoden, die die Internationale als «anarchistisch» betrachtete und vermutlich im Sommer 1914 mit dem Ausschluß der Anhänger Lenins beantwortet hätte, wäre sie nicht durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges handlungsunfähig geworden. Als im Frühjahr 1912 anläßlich von Streiks auf den Goldfeldern am sibirischen Fluß Lena 200 Arbeiter erschossen wurden, legten auf Grund der bolschewistischen Agitation über 100.000 Arbeiter allein in St. Petersburg die Arbeit nieder. Die Ausstände vom Frühjahr 1912 wurden zum Auftakt einer Streikbewegung, die immer heftigere Formen annahm und bis in den Sommer 1914 hinein anhielt. Der wichtigste Grund der Unzufriedenheit bei den Arbeitern war ihr sinkender Lebensstandard. Revolutionär aber konnte man die Situation in Rußland am Vorabend des Ersten Weltkrieges nicht nennen: Der Rückhalt, den die Regierung bei der Armee hatte, reichte aus, um einen Umsturzversuch der äußersten Linken zu verhindern.
    Im Dezember

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