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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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könne». Abzuwenden sei diese Gefahr nur, wenn es Deutschland und Großbritannien gelinge, « durch unseren beiderseitigen Einfluß auf unsere Verbündeten den Frieden Europas» zu sichern.
    Lichnowsky erwähnte ausdrücklich, daß er Grey «zum ersten Male verstimmt» erlebt habe. «Er sprach mit großem Ernst und schien von uns auf das bestimmteste zu erwarten, daß es unserem Einfluß gelingen möge, die Frage beizulegen … Auf jeden Fall bin ich der Überzeugung, daß, falls es jetzt doch noch zum Kriege käme, wir mit den englischen Sympathien und der britischen Unterstützung nicht mehr zu rechnen hätten, da man in dem Vorgehen Österreichs alle Zeichen üblen Willens erblicken würde. Auch hier ist alle Welt davon überzeugt, und ich höre es aus dem Munde meiner Kollegen, daß der Schlüssel der Lage in Berlin liegt und, falls man dort den Frieden ernstlich will, Österreich davon abzuhalten sein wird, wie Sir E. Grey sich ausdrückt, tollkühne Politik zu treiben.»
    Bethmann Hollweg und Jagow ließen sich weder vom Bericht Lichnowskys noch durch die Weisung des Kaisers beeindrucken. Beide hatten sich durch ihr Drängen auf einen raschen Krieg gegen Serbien so festgelegt, daß sie offenbar auch eine persönliche Bloßstellung fürchteten, wenn sie auf die Wünsche des Monarchen eingingen und damit eine politische Kehrtwende vollzogen. Infolgedessen wurde der «Halt-in-Belgrad»-Vorschlag Wilhelms II. nur verspätet und in einer die Absichten des Kaisers verfälschenden Form nach Wien weitergeleitet. Die österreichische Kriegserklärung an Serbien hätte aber auch durch schnelleres Handeln nicht mehr verhindert werden können: Sie war am 28. Juli um 11 Uhr vormittags erfolgt.
    Die Kriegserklärung bedeutete noch nicht den Krieg. Nach Angaben des österreichisch-ungarischen Generalstabs war ein aktives militärisches Vorgehen gegen Serbien erst vom 12. August ab möglich. In der Zwischenzeit würde Deutschland, wie Bethmann Hollweg am späten Abend des 28. Juli Botschafter Tschirschky in Wien wissen ließ, Vermittlungs- und Konferenzvorschlägen der anderen Kabinette ausgesetzt sein. Wenn die Reichsleitung darauf weiterhin mit Zurückhaltung reagiere, würde «das Odium, einen Weltkrieg verschuldet zu haben, schließlich auch in den Augen des deutschen Volkes» auf sie zurückfallen. «Auf einer solchen Basis aber läßt sich ein erfolgreicher Krieg nach drei Fronten (gemeint war ein Krieg gegen Serbien, Rußland und Frankreich, H.A.W.) nicht einleiten und führen. Es ist eine gebieterische Notwendigkeit, daß die Verantwortung für das eventuelle übergreifen des Konflikts auf die nicht unmittelbar Beteiligten unter allen Umständen Rußland trifft.»
    Von der jüngsten Initiative Wilhelms II. blieb im Telegramm des Reichskanzlers nicht viel übrig. Er verwies zwar auf die Gefahr, daß die «öffentliche Meinung in ganz Europa» sich gegen Österreich-Ungarn wenden könnte, wenn dieses auf seiner «völlig intransigenten Haltung» beharre. Den Vorschlag des Kaisers, die Donaumonarchie solle sich mit einer vorübergehenden Besetzung Belgrads begnügen und so die Erfüllung der österreichischen Forderungen sicherstellen, schwächte Bethmann Hollweg aber auf bezeichnende Weise ab: Der Botschafter solle sorgfältigst den Eindruck vermeiden, «als wünschten wir Österreich zurückzuhalten. Es handelt sich lediglich darum, einen Modus zu finden, der die Verwirklichung des von Österreich-Ungarns erstrebten Ziels, der großserbischen Propaganda den Lebensnerv zu unterbinden, ermöglicht, ohne gleichzeitig einen Weltkrieg zu entfesseln, und wenn dieser schließlich nicht zu vermeiden ist, die Bedingungen, unter denen er zu führen ist, für uns nach Tunlichkeit zu verbessern.»
    Als Bethmann Hollweg am Abend des 28. Juli erneut die Parole ausgab, es gelte Rußland die Schuld an einem großen Krieg zuzuschreiben, mußte er wissen, daß kaum noch etwas für die Annahme sprach, der Krieg gegen Serbien werde sich lokalisieren lassen. Wenn aber Rußland sich auf die Seite Serbiens stellte, würde nicht nur Frankreich, sondern auch Großbritannien die Partei des Zarenreiches ergreifen. Spätestens seit dem Abend des 27. Juli wußte das Auswärtige Amt, daß Grey es für unmöglich hielt, die britische Politik der Nichteinmischung aufrechtzuerhalten, wenn aus dem österreichisch-serbischen Konflikt «ein österreichisch-russischer und damit ein europäischer zu werden droht». Das Ergebnis der bisherigen deutschen

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