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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Vertreter Frankreichs sagten die Besuche in Kristiania, dem heutigen Oslo, und Kopenhagen ab und kehrten nach Paris zurück, wo sie am frühen Nachmittag des 29. Juli eintrafen. Damit endete ein zweiwöchiges Interregnum, während dessen keine deutlich vernehmbaren Signale aus der französischen Hauptstadt gekommen waren.
    Poincaré und Viviani vertraten in außenpolitischen Fragen teilweise unterschiedliche Positionen. Der Ministerpräsident, Chef einer Regierung der linken Mitte und selbst ein Unabhängiger Sozialist, setzte auf die diplomatische Entschärfung der Krise; im französisch-russischen Bündnis, das bei der Linken höchst unpopulär war, sah er nur eine unvermeidbare Rückversicherung gegenüber einer deutschen Aggression. Poincaré hingegen bestand wie eh und je auf Festigkeit (fermeté) gegenüber Deutschland, weil sich nach seiner Überzeugung der Friede nicht anders bewahren ließ; er legte folglich größten Wert darauf, daß in Rußland keine Zweifel an der französischen Bündnistreue aufkamen. In diesem Sinne wirkte in St. Petersburg Botschafter Maurice Paléologue, ein enger Vertrauter des Präsidenten. Die harte Linie Poincarés, die von Generalstabschef Joseph Joffre und Kriegsminister Adolphe Messimy nachdrücklich unterstützt wurde, setzte sich Ende Juli durch: Von dem Kriegswillen Deutschlands mittlerweile fest überzeugt, orientierte sich der Präsident fortan ausschließlich an dem Ziel, eine Sprengung der Tripelentente zu verhindern. Deshalb unterblieben nachdrückliche Warnungen an Rußland, seinerseits auf alles zu verzichten, was die internationale Krise verschärfen konnte.
    Für die Mittelmächte unerfreulich war auch, was auf dem Umweg über London aus Rom gemeldet wurde: Botschafter Lichnowsky berichtete am 29. Juli von einer Mitteilung, die ihm Sir Walter Tyrrell, der Privatsekretär des Außenministers, gemacht hatte. Danach erwartete man in der britischen Hauptstadt nicht, daß der Dreibund die Probe eines Weltkrieges bestehen würde. Italien habe nämlich nicht vor, sich an einem wegen Serbien ausgebrochenen Krieg zu beteiligen. Das entsprach dem, was man in Berlin und Wien auch schon in den Tagen zuvor aus Rom gehört hatte und über die öffentliche Meinung Italiens wußte. Am 30. Juli bestätigte der italienische Außenminister, der Marchese di San Giuliano, dem deutschen Botschafter von Flatow, daß Italien das Vorgehen Österreichs gegen Serbien als Angriffskrieg betrachte und sich darum nicht zur Bündnishilfe verpflichtet fühle. Der deutsche Diplomat vermutete zurecht, daß Österreich nur eine Chance hatte, Italien umzustimmen: Die Donaumonarchie hätte auf italienischsprachige Gebiete, namentlich das Trentino, verzichten müssen – eine Kompensation, die Wien für indiskutabel hielt.
    Am 30. Juli prallten in Berlin Militär und Politik aufeinander: Generalstabschef von Moltke und der preußische Kriegsminister von Falkenhayn drängten, der erfolglosen «Demarchen» in Wien überdrüssig, auf die sofortige deutsche Generalmobilmachung; Reichskanzler von Bethmann Hollweg wollte mit Blick auf die öffentliche Meinung und vor allem auf die Sozialdemokratie unbedingt Rußland den Vortritt lassen und gegenüber England den Anschein aufrechterhalten, als übe Deutschland einen vermittelnden und mäßigenden Einfluß aus. Das Ergebnis langwieriger Beratungen war eine Fristsetzung: Bis zum 31. Juli mittags sollte eine Entscheidung über die Erklärung der «drohenden Kriegsgefahr» fallen. Im preußischen Staatsministerium machte Bethmann Hollweg in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident am späten Nachmittag nochmals deutlich, warum es ihm vor allem, ja ausschließlich ging: «Es müßte der größte Wert darauf gelegt werden, Rußland als den schuldigen Teil hinzustellen.»
    Um dieselbe Zeit fielen in St. Petersburg die Würfel. Auf Drängen des Militärs, an seiner Spitze Generalstabschef Januschkewitsch, und zuletzt auch von Außenminister Sasonow willigte Zar Nikolaus II. gegen 16 Uhr Ortszeit in die russische Generalmobilmachung ein. Sasonow begründete sein Eintreten für diesen Schritt mit der Entschlossenheit Deutschlands, «die Dinge zu einem Konflikt kommen zu lassen … Bei dieser Sachlage bleibe nichts anderes übrig, als alles zu tun, was nötig sei, um dem Kriege völlig gerüstet und in der für uns günstigsten Position gegenüberzustehen. Ohne davor zurückzuscheuen, daß wir durch unsere Vorbereitungen den Krieg herausforderten, sei es

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