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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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zum Opfer; im November folgten Philippe égalité, der Herzog von Orléans, dann Manon Roland de la Platière, Gründerin und Mittelpunkt eines berühmten politischintellektuellen Salons, und Antoine Barnave, Deputierter von Grenoble in der Konstituante, im März 1794 Jacques René Hébert, Herausgeber des ultralinken «Père Duchesne», und seine Gefolgsleute aus dem «Club des Cordeliers», im Monat darauf Georges Danton, der erste Vorsitzende des Wohlfahrtsausschusses, und 13 seiner Anhänger, darunter Camille Desmoulins. Danton wurde unzulässige Nachsicht gegenüber den Feinden der Revolution vorgeworfen. «Die Revolution, gleich Saturn, frißt ihre eigenen Kinder»: Das hatte der Girondist Pierre-Victurnien Vergniaud vor seiner Hinrichtung am 31. Oktober 1793 gesagt. Auf niemanden traf das in höherem Maß zu als auf Danton.
    Die prominenten Politiker bildeten nur eine winzige Minderheit unter den Opfern der Revolutionsjustiz. Besonders blutige Vergeltung übten die Jakobiner in den Städten, die sich gegen sie aufgelehnt hatten: In Marseille und Bordeaux wurden hunderte, in Lyon fast 2000 Todesurteile vollstreckt. Weil die Hinrichtung durch die Guillotine zuviel Zeit in Anspruch nahm, traten mancherorts, so in Lyon, «fusillades» und «mitraillades», Erschießungen durch Gewehre und Kanonen, an ihre Stelle. In Nantes fanden auf Veranlassung des Konventskommissars Jean-Baptiste Carrier Massenertränkungen in der Loire, die sogenannten «noyades», statt, denen etwa 1800 Menschen, darunter in großer Zahl Priester aus den Aufstandsgebieten, zum Opfer fielen.
    In der Vendée betrieb der Konvent, entsprechend einem Beschluß vom 1. August 1793, eine Politik der verbrannten Erde, ja, wie der Historiker Reynald Secher formuliert, eines «innerfranzösischen Völkermordes» (génocide franco-français): Die Wälder wurden abgeholzt, die Felder abgeerntet, das Korn mitgenommen, Städte und Dörfer, deren revolutionäre Gesinnung zu wünschen übrig ließ, abgebrannt. Anfang 1794 folgten die systematische Niederbrennung sämtlicher Wälder, Hecken, Ortschaften und Höfe und die Erschießung aller bewaffneten Personen, vielerorts auch unbewaffneter Männer, Frauen und Kinder. Bereits Ende 1793 behauptete der General François-Joseph Westermann, der wenige Monate später zusammen mit seinem Freund Danton guillotiniert wurde, die Vendée gebe es nicht mehr. «Unser freies Schwert hat sie getötet mit ihren Frauen und Kindern.» Doch ein vorläufiges Ende fanden die Kämpfe in der Vendée erst sehr viel später – im Winter 1795/96.
    Die Zahl der Opfer unter den Bewohnern der Vendée lag weit über 100.000. Manche Schätzungen sprechen von 250.000 Toten. Die Zahl der Hinrichtungen in ganz Frankreich zwischen März 1793 und August 1794 dürfte mit 20.000 nicht zu hoch geschätzt sein. Die Opfer kamen nur zum kleineren Teil aus den Reihen von Adel und Klerus, zum weitaus größeren Teil aus dem Dritten Stand, Bauern und Arbeiter miteingerechnet. Darin drückt sich auch die Tatsache aus, daß Adel und gehobenes Bürgertum zu erheblichen Teilen emigriert waren. Dasselbe galt vom Klerus: 1792/93 waren vier Fünftel der französischen Bischöfe und ein Drittel der Priester, etwa 25.000 bis 30.000, gezwungenermaßen ins Ausland gegangen. In den letzten sieben Wochen der Schreckensherrschaft wurden mehr als 2500 Menschen auf die Guillotine geschickt. Das war eine Folge des verschärften Terrorgesetzes vom 10. Juni 1794. Die «Grande Terreur» fiel in eine Zeit, in der von einer äußeren und inneren Bedrohung kaum mehr gesprochen werden konnte.
    Daß dem so war, konnte sich der Wohlfahrtsausschuß als Verdienst anrechnen. Ende August 1793 wurden Aix-en-Provence und Marseille, am 9. Oktober Lyon und am 19. Dezember Toulon von den Truppen des Konvents erobert, am 12. Dezember die Armee der Aufständischen in der Vendée bei Le Mans besiegt. In den Herbst 1793 fallen auch Siege über die äußeren Feinde. Die Briten mußten im September eine Niederlage in der Nähe von Dünkirchen hinnehmen. Siege über die Österreicher errangen die Revolutionsarmeen am 16. Oktober 1793, dem Tag der Hinrichtung von Marie Antoinette, bei Wattingies und am 26. Juni 1794 bei Fleurus. Der zuletzt genannte Sieg war der entscheidende: Er erlaubte dem revolutionären Frankreich die Rückeroberung Belgiens und eine umfassende Zurückdrängung der Koalitionstruppen.
    Wenn eine Mehrheit der Franzosen sich mittlerweile als eine Schicksalsgemeinschaft

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