Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
unüberbrückbar. Das Ereignis des 21. Januar 1793 fiel in eine Zeit, in der die Revolutionstruppen auf eine Reihe von militärischen Erfolgen zurückblicken konnten: Im September 1792 waren sie nicht nur bei Valmy, sondern auch in Savoyen siegreich gewesen; Ende Oktober hatten sie Mainz, Anfang November nach dem Sieg bei Jemappes Belgien erobert. Preußen nahm seit dem Oktober 1792 am Feldzug gegen das revolutionäre Frankreich zeitweilig kaum noch teil und konzentrierte sich statt dessen ganz auf die Vorbereitung der zweiten Teilung Polens, die am 23. Januar 1793, zwei Tage nach der Hinrichtung Ludwigs XVI., durch einen russisch-preußischen Vertrag in St. Petersburg besiegelt wurde. Der amerikanische Historiker Crane Brinton hat diesem Vertrag bescheinigt, er habe Frankreich im Herbst 1792 gerettet: «Die vortrefflichen preußischen Truppen, die triumphierend in Thorn und Posen einmarschierten, würden unter anderen Umständen auch triumphierend in Paris eingezogen sein.»
Einen gewissen Ausgleich für die Passivität Preußens schuf der Kriegseintritt von England, Holland, Spanien, Sardinien, Neapel, Portugal und, eher symbolisch, des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation: eine unmittelbare Folge der Hinrichtung Ludwigs XVI., im Falle Großbritanniens aber mindestens ebensosehr auch eine Antwort auf die Eroberung der Scheldemündung mit Antwerpen durch französische Revolutionstruppen. Daß England sich Frankreich nunmehr offen entgegenstellte (wenn auch zunächst nur durch Subsidien für Österreich und Preußen, eine Seeblockade Frankreichs und bewaffneten Kampf in der Karibik), war vor allem das Werk des Premierministers William Pitt des Jüngeren. Den regierenden Tories ging es auch darum, der Gefahr der revolutionären Ansteckung entgegenzuwirken: Thomas Paines «Rights of Man» hatte auf der Insel, zumal bei Handwerkern und Arbeitern, ein starkes Echo gefunden; Vereinigungen wie die «London Corresponding Society» und die «Society for Promoting Constitutional Information», die sich die Ideen dieser republikanischen Streitschrift zu eigen machten, wurden von der Regierung mit äußerstem Argwohn beobachtet und schließlich verboten.
1794 setzte das Unterhaus sogar, anläßlich von Hochverratsprozessen gegen den Flickschuster Thomas Hardy, den Gründer der Corresponding Society, und einige seiner politischen Freunde, die Habeas-Corpus-Akte von 1679 außer Kraft. Es folgten weitere Repressionsgesetze, die Combination Acts von 1799 bis 1801, die gewerkschaftliche Zusammenschlüsse unter Strafe stellten, eine freie Diskussion auf Jahre hinaus unmöglich machten und die Bemühungen um eine Reform des britischen Regierungssystems nachhaltig zurückwarfen. Ein von Frankreich unterstützter Aufstand der katholischen Iren im Jahre 1798, den die britische Regierung im Verein mit den protestantischen Loyalisten in Ulster blutig niederwarf, gab der politischen Intoleranz in den Mittel- und Oberschichten Englands zusätzlichen Auftrieb. Die Unterdrückungspolitik hatte freilich auch eine von ihren Urhebern ungewollte Kehrseite: Sie trug dazu bei, daß sich in der frühindustriellen Arbeiterschaft ein Bewußtsein von Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Interessen herauszubilden begann.
Frankreich bekam die Folgen des britischen Kriegseintritts sofort zu spüren: Die Getreideeinfuhr, ja der gesamte Außenhandel wurde durch die englische Seeblockade außerordentlich erschwert; die Brotpreise stiegen; in Paris führte der Hunger bereits im Februar 1793 zu einem Sturm auf die Lebensmittelläden. Der Konvent antwortete auf die große Koalition der europäischen Revolutionsgegner am 24. Februar mit einem Gesetz, das die Aushebung von 300.000 Rekruten vorsah. Diese Maßnahme stieß vor allem in solchen ländlichen Gegenden auf erbitterten Widerstand, in denen die alten, abgesetzten Pfarrer noch über einen starken Rückhalt unter den Bauern verfügten. Das galt in besonderem Maß für die Vendée im Westen Frankreichs. Aus einer Auflehnung gegen das Aushebungsgesetz wurde binnen kurzem ein Aufstand gegen die Revolution und für die Wiederherstellung des Königtums. Der Kampf wurde auf beiden Seiten mit großer Grausamkeit geführt, wobei es einen zeitlichen Vorsprung auf Seiten der Rebellen gab. Zum äußeren Krieg kam also seit März 1793 ein Bürgerkrieg, von dem die einen hofften, die anderen fürchteten, daß er sich früher oder später auf ganz Frankreich ausdehnen werde.
Am 18. März 1793, eine Woche
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