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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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das die Phase der «Grande Terreur» einleitete, den anfangs widerstrebenden Konvent. Das Gesetz beseitigte allen Rechtsschutz, auch den der Mitglieder des Konvents, die der Wohlfahrtsausschuß bisher nur mit Zustimmung dieser Versammlung hatte verhaften können. Fortan war das einzig und allein Sache des Wohlfahrtsausschusses, also der Exekutive.
    Robespierre hatte das Gesetz nur mit seinem engen Verbündeten Couthon, ohne vorherige Absprache mit den anderen Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses, eingebracht und damit scharfen Protest ausgelöst. Doch mit dieser letzten Ausweitung des Terrors überspannte er den Bogen endgültig: Da er die Feinde der Revolution im Konvent pauschal verdächtigte, ohne Namen zu nennen, fühlten sich alle bedroht, und das hatte Folgen. Die Konventskommissare Joseph Fouché und Jean-Lambert Tallien, der Gründer des Revolutionsheeres, Lazare Carnot, außerdem Jean-Marie Collot d’Herbois, Hauptverantwortlicher für die Massenhinrichtungen in Lyon, und Paul Barras, Abgeordneter des Departement Var im Konvent und 1793 dessen Kommissar in Toulon, spielten Schlüsselrollen bei der Sammlung der Gegner des «Unbestechlichen». In die Verschwörung wurden aber auch führende Abgeordnete des «Sumpfes» einbezogen, der noch immer über die Mehrheit im Konvent verfügte.
    Am 9. Thermidor des Jahres II, dem 27. Juli 1794, wurde Robespierre im Konvent niedergeschrieen, als «Tyrann» beschimpft und schließlich auf Grund eines einstimmigen Beschlusses, zusammen mit seinen Getreuen, darunter Couthon und Saint-Just, verhaftet. Eine Befreiung durch Truppen der Kommune konnte die «Patrioten» nicht mehr retten. Der Konvent reagierte mit ihrer Ächtung, was eine Hinrichtung ohne Prozeß und Urteil erlaubte. Ein Selbstmordversuch Robespierres, unmittelbar vor seiner zweiten Festnahme durch Truppen des Konvents, schlug fehl. Am 10. Thermidor des Jahres II, dem 28. Juli 1794, wurde er, ebenso wie Couthon, Saint-Just und 19 ihrer Anhänger, unter dem Jubel der Masse durch die Guillotine enthauptet. Von einem breiten Rückhalt für Robespierre bei den Sansculotten konnte im Juli 1794 keine Rede mehr sein.[ 25 ]
    Die Beendigung der Schreckensherrschaft markierte noch nicht das Ende der Französischen Revolution, geschweige denn des Revolutionszeitalters, wohl aber der Phase der revolutionären Utopie. Saint-Just hatte in den Jahren 1793/94 seine Vorstellungen über die «Institutionen» des Revolutionsstaates zu Papier gebracht und darin eine radikale Verstaatlichung der Kindererziehung, eine rigorose Beschränkung des Fleischverbrauchs und eine Pflicht aller Erwachsenen zur Nennung ihrer jeweiligen Freunde vorgesehen. Hätte er dieses Programm verwirklichen können, wäre sein Frankreich zum ersten «totalitären» Staat der Geschichte geworden: ein System, das den ganzen Menschen für sich in Anspruch nahm und einen neuen Menschen hervorzubringen entschlossen war. Der Thermidor war eine Absage an solche Projekte. Aber es wäre voreilig gewesen, aus ihrem Scheitern im Frankreich der Jahre 1793/94 zu folgern, daß sie damit für alle Zukunft erledigt waren.
    Daß die Französische Revolution im Frühherbst 1793 in ihre diktatorische Phase eingetreten war, ergab sich aus der inneren und äußeren Zwangslage, in die das Land geraten war. Mit den Mitteln der Gemäßigten war die Krise nicht zu bewältigen und die Revolution von 1789 nicht zu retten. Die Radikalen, die im Sommer 1793 an die Macht kamen, begnügten sich aber nicht damit, das Erreichte mit diktatorischen Mitteln zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Ihre Kerngruppe benutzte den Terror, um eine Utopie zu verwirklichen.
    Die Ströme von Blut, die dieses Experiment forderte, prägen das Bild der Französischen Revolution bis heute. Die meisten Zeitgenossen im übrigen Europa, die den Aufbruch von 1789 begrüßt hatten, zogen spätestens aus der Erfahrung der Jahre 1793/94 die Folgerung, daß sich eine solche Revolution nicht wiederholen durfte. Die Entwicklung Frankreichs in den Jahren 1789 bis 1794 bestätigte die gemäßigten Beobachter in ihrer Überzeugung, daß mit Reformen von oben den Völkern besser gedient war als mit dem Versuch der Selbstbefreiung. Und quer durch Europa mehrten sich im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts die Stimmen derer, die den tieferen Grund des Terrors in der geistigen Bewegung sahen, auf die sich die Revolutionäre aller Schattierungen berufen hatten und weiter beriefen: der Aufklärung.
    Doch es war nicht die

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