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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Konventsmitglieder kam es im Süden Frankreichs, in Marseille, Nîmes, Bordeaux, Toulouse, Anfang Juli auch in Toulon, zu Aufständen gegen die Jakobiner; in der Vendée tobte weiter der Bürgerkrieg zwischen den royalistischen Bauern und den republikanischen Kräften. Am 13. Juli, dem Vorabend des vierten Jahrestags des Sturmes auf die Bastille, wurde Marat in seiner Badewanne von Charlotte Corday d’Armond erstochen. Die junge Frau aus der Normandie, eine Urenkelin des Dichters Corneille, büßte ihre Tat, die als Rache für die Verbrechen der Jakobiner gedacht war, auf der Guillotine. Den toten Marat machte der Maler Jacques-Louis David durch eines der berühmtesten Gemälde der Revolutionszeit zum Märtyrer im Kampf um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
    Zu den blutigen Unruhen im Lande selbst kamen die Niederlagen, die die verbündeten Mächte den Revolutionsarmeen zufügten. Am 23. Juli kapitulierte die französische Garnison in Mainz; am 27. August besetzten die Briten Toulon. In Savoyen waren sardinische, nördlich der Pyrenäen spanische Truppen auf dem Vormarsch. Im Sommer 1793 war die Lage für Frankreich so ernst, daß die Sache der Revolution allenfalls durch außerordentliche Maßnahmen gerettet werden konnte. Von ebendieser Einsicht ließ sich der Konvent leiten, als er am 23. August die «levée en masse» beschloß: die allgemeine Wehrpflicht für alle ledigen Männer zwischen 18 und 25 Jahren und die Mobilisierung aller materiellen Hilfsquellen der Nation. Es war nichts Geringeres als der erste «totale Krieg» der Geschichte, den das revolutionäre Frankreich an diesem Tag proklamierte.
    Am 4. September erlebte Paris erneut Hungerunruhen. Tags darauf verlangten die Sansculotten in ultimativer Form vom Konvent, er möge mit dem Terror gegen die Feinde der Revolution endlich ernst machen, die «Verdächtigen» verhaften und die Ausschüsse, darunter den Wohlfahrts- und den Sicherheitsausschuß, säubern, also nur noch mit zuverlässigen Revolutionären besetzen. Der Konvent folgte dem Appell und beschloß am 17. September das Gesetz gegen die Verdächtigen. Als verdächtig galten alle Personen, die sich durch ihr Verhalten, ihre Beziehungen oder Äußerungen als Parteigänger der Tyrannen oder der Girondisten und damit als Feinde der Freiheit zu erkennen gegeben hatten, außerdem alle Adligen, die ihre Verbundenheit mit der Revolution nicht dauerhaft unter Beweis gestellt hatten, und alle nach Frankreich zurückgekehrten Emigranten. Alle diese Personen waren sofort nach Verkündung des Gesetzes in Haft zu nehmen.
    Mit dem September 1793 begann die Schreckensherrschaft, die «terreur». Sie ist für immer verbunden mit dem Namen von Maximilien de Robespierre, dem «Unbestechlichen», der erst am 27. Juli durch Zuwahl in den Wohlfahrtsausschuß gelangt war und damit den am 10. Juli ausgeschiedenen Danton ablöste. Der Anwalt aus Arras war ein Jünger Rousseaus, den er noch kurz vor dessen Tod im Jahr 1778 aufgesucht hatte. Dem Autor des «Contrat social» verdankte Robespierre eine Auffassung vom allgemeinen Willen und vom öffentlichen Wohl, die sich nicht aus den Meinungen der Menschen, sondern ausschließlich aus den Prinzipien der Vernunft ableiten ließ. Es war nur folgerichtig, daß Robespierre diese Prinzipien zu kennen glaubte und entsprechend handelte.
    Die Diktatur des Wohlfahrtsausschusses war, als sie entstand, eine prekäre Antwort auf eine extreme Herausforderung: Das Versagen der Gemäßigten hatte die Revolution in höchste Gefahr gebracht; eine Preisgabe der Revolution konnte für Revolutionäre nicht in Frage kommen. Aber nachdem die Diktatur errichtet war, entwickelte sie ihre eigene Logik: Der Terror verselbständigte sich; er war nicht mehr nur ein Mittel zu dem begrenzten Zweck, ein Scheitern der Revolution zu verhindern, sondern wurde zum Selbstzweck. Der Terror suchte sich immer neue Anlässe, um seine Fortdauer zu legitimieren. Zuletzt war niemand mehr davor sicher, nicht von Robespierre und seinen Gefolgsleuten Saint-Just und Georges Couthon als Gegner der Revolution entlarvt und auf die Guillotine geschickt zu werden. Die Angst, die der Terror erzeugte, half Robespierre eine Zeitlang. Als sie auch die meisten seiner Weggefährten erfaßte, begann sie für Robespierre gefährlich zu werden.
    Dem Terror des Wohlfahrtsausschusses in Gestalt der Guillotine fielen im Oktober 1793 erst die ehemalige Königin Marie Antoinette, dann die führenden Girondisten, obenan Brissot,

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