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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Ausdruck. So wie Preußen bisher Deutschland nach Osten beschützt habe, müsse es das künftig auch nach Westen, gegen Frankreich, tun. Deutschland brauche einen «Führer und Einiger». «Diesen großen und guten Geist, dem niemand in Deutschland die erste Stelle streitig machen kann und wird, will ich hier nennen: er heißt Preußen.» Österreich habe sich zu seinem Unglück mit fremden Völkern beladen, denen es nicht einmal gewachsen sei. «Preußen dagegen steht recht eigentlich in Deutschland festgewurzelt und eingeschlossen mit all seinen Vorteilen und Strebungen; es muß hinfort mit Deutschland stehen oder untergehen.»[ 41 ]
    Arndt war, nicht anders als Fichte und Jahn, ein scharfer Kritiker der deutschen Fürsten, zumal der kleinen und mittleren unter ihnen. Sie galten den frühen Nationalisten ebenso wie der landsässige Adel als Träger und Nutznießer der staatlichen Zersplitterung Deutschlands – einer Zersplitterung, die im gebildeten Bürgertum gedanklich bereits überwunden war. In der Gleichsetzung von Bürgertum und Nation lag zu einem guten Teil die Anziehungskraft begründet, die die Französische Revolution, trotz «terreur» und Napoleon, auf die deutschen Nationalisten ausübte.
    Noch 1808 bekannte sich Arndt zu den Idealen dieser Revolution, die er die «dritte große Epoche des Christentums» nach Urchristentum und Reformation nannte. Im Jahre 1813 verteidigte er die Demokratie, die etwas ganz anderes als Pöbelherrschaft sei. Konkret forderte er aber nur eine «ratschlagende und mitregierende Macht» für die drei Stände des Adels, der Bauern und der Bürger, während er die ausführende Macht dem Fürsten überlassen wollte. Gemessen an dem, was die französische Verfassung von 1791 verbürgte und was England und die Vereinigten Staaten längst erreicht hatten, war das eine bescheidene, nicht revolutionär, sondern altständisch anmutende Zielsetzung.
    Was immer Arndt und Fichte zugunsten der Französischen Revolution vortrugen, ein Vorbild, dem es nachzueifern galt, war das Frankreich von 1789 für sie nicht. Das lag vor allem an einem grundlegenden Unterschied zwischen beiden Ländern: Frankreich war zum Zeitpunkt seiner Revolution bereits ein Nationalstaat, Deutschland war es nicht. Die deutsche Nation ließ sich infolgedessen nicht politisch und staatsbezogen definieren, sondern nur kulturell und historisch. Franzose konnte man seit 1789 werden, indem man sich für das neue Frankreich entschied, also auf Grund eines subjektiven Willensaktes. Die frühen deutschen Nationalisten beriefen sich in Ermangelung eines staatlichen Rahmens auf nichtstaatliche, dem politischen Wollen gleichsam vorgelagerte, vermeintlich objektive Größen wie Volk, Sprache und Kultur. Arndt dachte denn auch gar nicht daran, die Elsässer und Lothringer zu fragen, ob sie Deutsche sein wollten; es reichte ihm, daß sie deutsch sprachen und einmal zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört hatten.
    Auch der Gedanke rassischer Reinheit war Arndt nicht fremd. «Die Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein», schrieb er 1814, «und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche.» Abschwächend forderte Arndt zwar, die in Deutschland geborenen Juden «nach den Gesetzen unseres menschlichen Evangeliums als deutsche Landsleute» zu betrachten und sie als solche zu schirmen und schützen. Aber zum einen machte er keinen Hehl aus seiner Erwartung, daß die deutschen Juden sich bald zum Christentum bekehren würden, und zum anderen sprach er sich «unbedingt» gegen eine Aufnahme fremder Juden aus. Diese wäre ein «Unheil und eine Pest unseres Volkes», und überdies sei Deutschland mehr als andere Länder von einer «Judensintflut» aus dem Osten und namentlich aus Polen bedroht.[ 42 ]
    Fichte argumentierte hinsichtlich des traditionellen Andersseins der Juden nicht rassisch, sondern religiös, seine Folgerungen aber waren noch weit radikaler als die Arndts. Das Judentum sei, so heißt es in dem 1793 veröffentlichten Buch über die Französische Revolution, ein «mächtiger, feindseliger Staat, der fast überall in Europa mit allen übrigen in beständigem Krieg» stehe, ein «Staat im Staat» also. Als unbezwingbar betrachtete Fichte das Hindernis, das die Juden davon

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