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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Jünglinge verführt, seine Weiber entehrt. Daraus ergab sich für den Turnvater die Mahnung: «Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edlen lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nie versiegenden Urborn, grabt die alten Quellen auf und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe!» Lutetia war, was der Verfasser bei seinen Lesern als bekannt voraussetzte, der antike Name für Paris.[ 39 ]
    Jahns Sakralisierung des Deutschtums und seine Dämonisierung des Französischen zu übertreffen mochte schwer erscheinen. Doch Ernst Moritz Arndt lieferte den Nachweis, daß es möglich war. 1807 brachte der dritte im Bunde der Gründerväter des deutschen Nationalismus den pseudoreligiösen Charakter seiner Art von Vaterlandsliebe in geradezu klassischer Form zum Ausdruck: « Ein Volk zu sein, ein Gefühl zu haben für eine Sache, mit dem blutigen Schwert der Rache zusammenzulaufen, das ist die Religion unserer Zeit; durch diesen Glauben müßt ihr einträchtig und stark sein, durch diesen den Teufel und die Hölle überwinden … Das ist die höchste Religion, zu siegen und zu sterben für die heilige Sache der Menschheit, die durch alle Tyrannei in Lastern und Schanden untergeht; das ist die höchste Religion, das Vaterland lieber zu haben als Herren und Fürsten, als Väter und Mütter, als Weiber und Kinder; das ist die höchste Religion, seinen Enkeln einen ehrlichen Namen, ein freies Land, einen stolzen Sinn zu hinterlassen; das ist die höchste Religion, mit dem teuersten Blut zu bewahren, was durch das teuerste, freieste Blut der Väter erworben ward. Dieses heilige Kreuz der Welterlösung, diese ewige Religion der Gemeinschaft und Herrlichkeit, die auch Christus gepredigt hat, macht zu eurem Banner, und nach der Rache und Befreiung bringt unter grünen Eichen auf dem Altar des Vaterlandes dem schützenden Gotte die fröhlichen Opfer.»
    Arndts schützender und strafender Gott stand nicht länger jenseits der Völker: Es war der «alte liebe deutsche Gott», von dem der Autor erstmals 1810 in dem Gedicht «Gebet» sprach. Im Jahre 1813, der Befreiungskrieg gegen Napoleon hatte inzwischen begonnen, verfaßte er einen «Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann». In einer altertümelnden Sprache, die Luthers Übersetzung der Offenbarung des Johannes nachempfunden war und voller Anspielungen auf den Mythos vom Antichrist steckte, rief Arndt den Teilnehmern des Feldzugs zu: «Und es ist ein Ungeheuer geboren und ein blutbefleckter Greuel aufgestanden. Und heißt sein Name Napoleon Bonaparte, ein Name des Wehs … Auf ihr Völker! Diesen erschlagt, denn er ist verflucht von mir, diesen vertilgt, denn er ist ein Vertilger der Freiheit und des Rechts … Und sollt in Einmütigkeit und Friedseligkeit erkennen, daß ihr einen Gott habet, den alten, treuen Gott, und daß ihr ein Vaterland habet, das alte, treue Deutschland.»
    Arndt hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, seine kriegerische Botschaft mit dem christlichen Liebesgebot zu vereinbaren. Ein Mensch, der die rechte Liebe habe, müsse das Böse hassen bis in den Tod, schrieb er 1813 in dem Aufsatz «über Volkshaß». Gott wolle diesen Haß, ja er gebiete ihn. Die Franzosen gelte es zu hassen auf Grund dessen, was sie nicht nur in den letzten zwanzig Jahren, sondern schon seit über drei Jahrhunderten den Deutschen angetan hätten. «Ich will den Haß gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer … Dieser Haß glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unserer Treue, Redlichkeit und Tapferkeit; er mache Deutschland den Franzosen künftig zu einem unangenehmen Lande, wie England ihnen ein unangenehmes Land ist.»[ 40 ]
    Aus der Botschaft des Volkshasses ergab sich die Forderung nach der Sprachgrenze: «Die Sprache also macht die rechte Grenze der Völker … Was beisammen wohnt und einerlei Sprache spricht, gehört auch von Gott und Natur wegen zusammen.» Folglich verlangte Arndt 1813 in seiner vielgelesenen Schrift «Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze» die Rückgabe des Elsaß und des deutschsprachigen Lothringen. Eine nationale Einigung Deutschlands hatte er vor den Befreiungskriegen noch nicht gefordert. Seit 1813 tat er es. In den Jahren 1813 bis 1815 gab er mehrfach, wenn auch zunächst noch in etwas verschlüsselter Form, seiner Hoffnung auf ein Kaisertum der Hohenzollern

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