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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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der Regierungstruppen trat Collins. Mit Hilfe von Kanonen, die sich die Dubliner Regierung von den Briten auslieh, konnte er die Rebellen in der Hauptstadt nach heftigen Kämpfen niederwerfen; er selbst wurde im August 1922 aus dem Hinterhalt erschossen. Nach schweren Niederlagen der radikalen Republikaner ordnete de Valera schließlich am 24. Mai 1923 die Einstellung des Feuers an.
    Die Spaltung der Unabhängigkeitsbewegung aber dauerte an. Im Sommer 1923 fanden die ersten freien Wahlen statt, an denen entsprechend der Verfassung vom Dezember 1922 auch die Frauen gleichberechtigt teilnehmen konnten. Die Vertragsgegner erlangten 35 der insgesamt 128 Mandate, nahmen sie aber nicht an. Auf den gemäßigten Flügel von Sinn Féin, der sich unter dem Namen Cumannnan Gaedheal als selbständige Partei konstituierte, entfielen 58, auf die übrigen Befürworter des Vertrags, darunter die irische Labour Party, 35 Sitze. An die Spitze der Regierung trat, an Stelle des verstorbenen Griffith, der moderate William T. Cosgrave. Eine Gruppe der entschieden republikanischen Kräfte unter de Valera schloß sich 1926 zu einer Partei, der Fianna Fáil, zusammen und stellte sich im Jahre 1927 auf den Boden des britisch-irischen Vertrages. Die 44 Abgeordneten der Fianna Fáil, die bei den Wahlen von 1927 in den Dáil gelangten, leisteten (mit dem Argument, daß dies nur eine Formalität sei) den Treueid auf den König von England. Der Freistaat begann, sich zu einer «normalen» westlichen Demokratie zu entwickeln.
    Das Verhältnis zwischen dem Freistaat und dem überwiegend protestantischen Norden blieb gespannt. Nachdem es nicht gelungen war, im Rahmen einer gemeinsamen Grenzkommission die Grenze zwischen den sechs nördlichen und den 16 südlichen Counties zugunsten des Freistaates zu korrigieren, schloß dieser 1925 ein Abkommen mit Großbritannien, das die bestehenden Grenzen, von wenigen Abweichungen abgesehen, bestätigte. Die Katholiken des Nordens, die ein Drittel der Bevölkerung stellten, nahmen 1925 erstmals ihre Sitze im Belfaster Unterhaus ein, wo die probritischen Unionisten über eine unangefochtene Mehrheit verfügten. Die Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken wurde dadurch nicht gemildert. Sie stieg noch, als mit dem Aufstieg von Fianna Fáil die Befürworter einer Wiedervereinigung Irlands im Süden an Boden gewannen. Die radikalen Republikaner Ulsters verweigerten sich der Mitarbeit im Parlament. Über ihren militärischen Arm, die IRA, trugen sie, im Wettstreit mit den paramilitärischen Einheiten des protestantischen Oranierordens, entscheidend dazu bei, daß Ulster noch auf viele Jahrzehnte der Unruheherd Großbritanniens blieb.
    Die Staatswerdung Irlands war eine historische Zäsur: Sie zog einen Schlußstrich unter vier Jahrhunderte englischer Fremdherrschaft, die mit der Unterwerfung der Insel unter Heinrich VIII. begonnen hatte.Die Konservativen hatten sich seit der Ära Gladstone gegen alle Versuche der Liberalen aufgelehnt, Irland die Home Rule zu gewähren, und sich auch noch nach 1918 der Aufkündigung der Union mit England entgegengestemmt. Unmittelbar nach dem Weltkrieg aber einen großen Krieg zur Verhinderung der Sezession Irlands zu führen waren auch die wenigsten Tories bereit. So fanden sie sich schließlich auf Drängen Lloyd Georges mit einer Lösung ab, die es der englischen Krone ermöglichte, fürs erste wenigstens den Schein der Oberhoheit über Irland zu wahren. Daß dies nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur vollen Souveränität sein würde, dürften auch die meisten Tories geahnt haben.
    Die Entlassung Irlands in die Unabhängigkeit war die letzte große Leistung des Kabinetts Lloyd George. Im Herbst 1922 mehrten sich die Zeichen, die auf ein baldiges Ende der liberal-konservativen Koalition hindeuteten. Am 7. Oktober veröffentlichte die «Times» einen Brief des konservativen Parteiführers und Lordsiegelbewahrers Andrew Bonar Law, worin dieser sich von der als herausfordernd und gefährlich empfundenen Türkeipolitik des Premierministers distanzierte. Auch vom Außenminister, Lord Curzon, wußten nicht nur die Eingeweihten, daß er nicht länger bereit war, Lloyd George zu unterstützen. Am 19. Oktober trafen sich 275 konservative Unterhausabgeordnete im Carlton Club, um über den künftigen Weg ihrer Partei zu beraten. Am Ende stand eine klare Mehrheit von 185 zu 88 Stimmen für die Beendigung der Koalition. Noch am gleichen Tag trat David Lloyd George vom Amt des

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