Geschichte des Westens
westlich geprägten Balkanstaaten, die ihre Unabhängigkeit im 19. oder (im Fall Albaniens) im frühen 20. Jahrhundert erlangt hatten, und die beiden Länder der iberischen Halbinsel, die zu den alten Staaten des katholischen Okzidents gehörten.
Rumänien, der Partner der Tschechoslowakei in der «Kleinen Entente» und im strikt geographischen Sinn kein Teil des Balkans, trat trotz seiner Niederlage im Kampf gegen die Mittelmächte gestärkt in die Zwischenkriegszeit ein: Noch kurz vor dem demütigenden Frieden von Bukarest hatte es im April 1918 Bessarabien annektiert; dank des Sieges der damaligen Verbündeten, der Westmächte, erhielt es bald darauf große ehemals ungarische Gebiete, darunter Siebenbürgen, und,nach einem heftigen Streit mit Serbien, zwei Drittel des Banats. Das neue, knapp 16 Millionen Einwohner zählende Großrumänien war ein Nationalitätenstaat: Nach den Volkszählungen der Vorkriegszeit waren nur zwei Drittel der Bevölkerung ethnische Rumänen; die stärkste Minderheit stellten mit knapp 12 Prozent die Madjaren. Bis zur Volkszählung von 1930 verschoben sich infolge der Auswanderung von nichtethnischen Rumänen die Gewichte zugunsten der Titularnation: Auf sie entfielen jetzt etwa 72 Prozent der Bevölkerung, auf die madjarische Minderheit knapp 8, auf die deutsche etwas über 4 Prozent. In Frage gestellt wurde der neue Staat von den Madjaren, die den Anschluß an Ungarn erstrebten, und von den Bulgaren der Dobrudscha, die sich mit Bulgarien vereinigen wollten, nicht aber von den Deutschen Siebenbürgens, die sich als loyale Bürger Rumäniens fühlten.
Nach der Verfassung von 1866, die bis 1923 das Staatsgrundgesetz bildete, war Rumänien eine konstitutionelle Monarchie. Die neue Verfassung, die am 29. März 1923 in Kraft trat, beließ es bei diesem Zustand. Unter beiden Verfassungen führten Wahlen fast immer zum Sieg der Partei, die gerade den vom König berufenen Ministerpräsidenten stellte. Wahlberechtigt (und zur Stimmabgabe verpflichtet) waren seit 1923, ungeachtet eines noch immer weit verbreiteten Analphabetismus, die Rumänen männlichen Geschlechts, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten. Das Wahlgesetz vom 27. März 1925 sorgte dafür, daß die Partei, die mindestens 40 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erhielt, automatisch mindestens 70 Prozent der Mandate zugesprochen bekam. Der Einfluß der jeweiligen Regierung auf den Ausgang der Wahl war in der Regel nahezu unbegrenzt, so daß der Begriff «parlamentarische Demokratie» im Hinblick auf das Rumänien der Zwischenkriegszeit fehl am Platz ist.
Am 20. Juli 1927 starb nach dreizehnjähriger Regierungszeit König Ferdinand I. aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen. Seine Nachfolge trat, da Kronprinz Carol wegen einer außerehelichen Affäre mit seiner Geliebten Helene Lupescu, einer Jüdin, seinem Anspruch auf den Thron entsagt hatte, dessen jüngerer Bruder, der damals erst fünfjährige Prinz Michael an, so daß zunächst ein Regentschaftsrat die tatsächliche Staatsspitze bildete. Im Juni 1930 ließ sich Carol, nachdem er seine Beziehungen zu Madame Lupescu vorübergehend unterbrochen hatte, dann doch von der Nationalversammlung als Carol II. zum König ausrufen.
Zu den größten innenpolitischen Problemen gehörte die Agrarfrage. Sie stellte sich besonders dringend im sogenannten «Regat», dem Altreich, wo 5 Prozent der Grundbesitzer über 60 Prozent des Bodens besaßen. Mehrere Gesetze, die für einzelne Regionen unterschiedliche Regelungen enthielten, führten zu einer Umverteilung des Bodens, und zwar zu Lasten des Großgrundbesitzes, der weitgehend abgeschafft wurde, und zugunsten der Mittel- und Kleinbauern. Das Resultat war dennoch unbefriedigend: Die überwältigende Mehrheit der Bauern, fast 85 Prozent, bewirtschafteten weniger als 5 Hektar des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens. Die meisten Höfe waren reine Subsistenzbetriebe; für den Export produzierte nur eine kleine Minderheit der Landwirte. Die Ausfuhr von Agrarerzeugnissen ging infolgedessen nach dem Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze aus den Jahren 1918 und 1921 entsprechend stark zurück.
Bei den Wahlen vom Mai 1928, die ausnahmsweise ohne amtliche Manipulation abgehalten wurden, setzte sich die Nationale Bauernpartei («Nationalzaranisten») unter Iuliu Maniu durch. Da es Maniu, dem neuen Ministerpräsidenten, nicht gelang, mit den Folgen der schweren Agrarkrise fertig zu werden, büßte er bald viel von den
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