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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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antisemitische Rechte war durch die Königsdiktatur zwar äußerlich zurückgedrängt worden, sie blieb aber eine starke gesellschaftliche und politische Kraft mit einem beträchtlichen Anhang unter Studenten, Kleinbürgern und Bauern.
    Rumäniens südlicher Nachbar, Bulgarien, war das Balkanland schlechthin: geographisch der Balkanhalbinsel zugehörig, kulturell von der Orthodoxie und den Jahrhunderten der osmanischen Herrschaft geprägt und, anders als Griechenland, Albanien und teilweise auch Jugoslawien, nicht der mittelmeerischen Welt zugewandt. Wie alle Balkanländer litt das Agrarland Bulgarien unter seiner ökonomischen Rückständigkeit und weit verbreitetem Analphabetismus. Von den nationalen Problemen war die mazedonische Frage das ernsteste: Die Untergrundtätigkeit der terroristischen IMRO (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation) belastete, wovon schon die Rede war, das Verhältnis zu Jugoslawien schwer. Im Jahr 1920 waren 83,4 Prozent der 4,8 Millionen zählenden Bevölkerung ethnische Bulgaren. Die größte nationale Minderheit bildeten mit 11 Prozent die Türken. Mit Griechenland wurde im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag von Neuilly im November 1919 ein Bevölkerungsaustausch vereinbart und in den Jahren darauf vollzogen. Am meisten schmerzte Bulgarien der Verlust der zu erheblichen Teilen bulgarisch besiedelten südlichen Dobrudscha an Rumänien: ein in Neuilly bestätigtes Ergebnis des zweiten Balkankrieges von 1913.
    Vor wie nach 1918 bildete das Königreich Bulgarien gemäß der fortgeltenden Verfassung von 1879 eine konstitutionelle Monarchie.An der Spitze des Staates stand von 1918 bis 1943 König Boris III. aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha. Wahlberechtigt waren alle Männer, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten und im Besitz der bürgerlichen Rechte waren. Da um 1920 noch vier Fünftel der Bevölkerung auf dem Lande lebten, spielte die Bauernbewegung eine große Rolle im politischen Leben; anders als in Rumänien aber gelang es in Bulgarien auch den Kommunisten, einen beträchtlichen Teil der Landbevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Nach den Wahlen vom August 1919 berief Boris den Führer der regionalen Bauernpartei, Alexander Stambolijski, an die Spitze einer Koalitionsregierung, die auch von den Sozialdemokraten getragen wurde. Die schärfste Oppositionspartei waren die Kommunisten, die bei den Gemeindewahlen vom Dezember 1919 große Erfolge verbuchen konnten und kurz darauf durch einen von ihnen organisierten Streik der Transportarbeiter das Wirtschaftsleben des Landes bis Februar 1920 schwer beeinträchtigten.
    Das zweite Kabinett Stambolijski stellte ab Mai 1920 die Bauernpartei allein. Zu den ersten legislatorischen Maßnahmen der neuen Regierung gehörte die Einführung einer allgemeinen Arbeitsdienstpflicht, die für Männer ein Jahr, für Frauen ein halbes Jahr dauerte, im Juni 1920: eine «Errungenschaft», die 13 Jahre später vom nationalsozialistischen Deutschland in Gestalt des Reichsarbeitsdienstes übernommen wurde. Höchst umstritten war die Agrarreform vom Mai 1921, durch die der private Bodenbesitz, soweit er 30 Hektar überstieg, enteignet wurde. Da die Politik Stambolijskis ausgesprochen antiurbane Züge trug, stieß sie in den Städten auf wachsende Opposition. Zu den Gegnern des Ministerpräsidenten gehörten auch große Teile des Offizierskorps. Aus seinen Reihen kamen die Putschisten, die im Juni 1923 mit Billigung des Königs die Regierung Stambolijski stürzten. Der bisherige Regierungschef, ein Befürworter einer Verständigung mit dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, wurde am 14. Juni von fanatischen Anhängern der IMRO ermordet. Seine Nachfolge hatte inzwischen Alexander Zankoff, ein parteiloser Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Sofia, übernommen.
    Dem Staatsstreich der Offiziere folgte im September 1923 ein kommunistischer Aufstand unter Führung des Parteivorsitzenden Georgi Dimitroff und des von der Komintern in seine Heimat entsandten bulgarischen Sekretärs Vasil Kolaroff. Die Erhebung wurde binnen wenigerTage blutig niedergeschlagen; Dimitroff, Kolaroff und einigen am Aufstand beteiligten Führern der Bauernpartei gelang die Flucht ins Ausland. Die Wahlen von November 1923 führten zu einem Sieg der offiziösen Regierungspartei, der Demokratischen Vereinigung, und der mit ihr zusammenarbeitenden Sozialdemokraten. Bis 1931 konnte sich die Demokratische Vereinigung an der Macht

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