Geschichte des Westens
behaupten, was Bulgarien zu einer für «balkanische» Verhältnisse erstaunlichen innenpolitischen Stabilität verhalf.
Von schweren Erschütterungen blieb aber auch dieses südosteuropäische Land nicht verschont. Sie gingen zumeist von der Kommunistischen Partei aus, die 1924 nach neuerlichen Unruhen verboten worden war, aber im Untergrund aktiv blieb. Auf eine Serie politischer Attentate folgte am 16. April 1925 ein Bombenanschlag auf die Sophienkathedrale in Sofia, der den versammelten Ministern und Offizieren mit dem König an der Spitze galt. Boris III. und die Mitglieder der Regierung entgingen dem ihnen zugedachten Schicksal; es gab aber weit über hundert Tote, darunter mehrere Generäle und der Bürgermeister von Sofia, und über 300 Verletzte. Ein halbes Jahr lang galt in Bulgarien der Ausnahmezustand. Die Popularität der Kommunisten ging nach dem Terrorakt stark zurück; die Bauernpartei distanzierte sich von der äußersten Linken, und es dauerte zwei Jahre, bis in Form der Unabhängigen Arbeiterpartei eine kommunistische Ersatzorganisation entstand, die sich in der Folgezeit auch an den Parlamentswahlen beteiligte.
Bei den Wahlen von 1931 siegten trotz massiver Beeinflussung durch die Regierung die im Nationalen Block zusammengeschlossenen Oppositionsparteien unter Führung der Bauernpartei. Die innere Zerstrittenheit des Nationalen Blocks ging aber so weit, daß die Regierung des Ministerpräsidenten Nikola Mušanoff im Mai 1934 ihre parlamentarische Mehrheit verlor. Die Auflösung des Parlaments durch König Boris nutzte eine antiparlamentarisch gesinnte Vereinigung von Offizieren, Intellektuellen und Politikern der Bauernpartei mit Namen «Zveno» (Bindeglied) am 19. Mai 1934 zu einem Staatsstreich. Die neue Regierung unter Oberst Kimon Georgiew verhängte den Ausnahmezustand, setzte die Verfassung von 1879 teilweise außer Kraft und ergriff einschneidende Sparmaßnahmen. Im Juni erging ein Verbot aller Parteien und politischen Vereinigungen. Die größte Anstrengung erforderte die Zerschlagung der IMRO; ihr Führer Ivan Mihajloff undeinige seiner Mitstreiter entkamen ins Ausland, von wo aus sie die Organisation wiederzubeleben versuchten. Die militante Opposition von links wurde mit Hilfe einer Notverordnung vom 31. August 1934 systematisch unterdrückt.
Wie die Regierung des Nationalen Blocks, so war auch die der Offiziere innerlich zerstritten: Überzeugten Monarchisten standen entschiedene Republikaner gegenüber. König Boris, der den Putsch vom Mai 1934 mehr hingenommen als unterstützt hatte, griff im Januar 1935 aktiv in das Geschehen ein, indem er Georgiew aus dem Amt des Ministerpräsidenten entfernte. Die Nachfolger wechselten häufig und mußten ihre Kabinette immer wieder umbilden. Im Oktober 1937 erließ Boris ein neues Wahlgesetz, das das Parlament verkleinerte, das Frauenwahlrecht einführte und nur noch die Kandidatur von Einzelpersonen, nicht mehr von Parteien und politischen Vereinigungen zuließ. Die Wahlen vom März 1938 gestatteten eine relativ freie Stimmabgabe und brachten den Kandidaten, die der Regierung nahestanden, eine sichere Mehrheit: Sie erhielten 104, die oppositionellen Bewerber 56 Sitze. Das 1935 etablierte autoritäre Regime Boris’ III.
war
eine Königsdiktatur, aber, verglichen mit Jugoslawien unter Alexander I. und Rumänien unter Carol II., die liberalste im Südosteuropa der Zwischenkriegszeit.
Als einen der Gründe für den Umsturz vom Mai 1934 hatten die putschenden Offiziere die ernste politische Lage des Landes genannt, womit sie die politische Isolierung Bulgariens durch den Balkanpakt meinten, den die Türkei, Griechenland, Jugoslawien und Rumänien im Februar 1934 abgeschlossen hatten. Dessen antibulgarische Spitze war in der Tat unverkennbar. König Boris lag am meisten an einem Ausgleich mit Jugoslawien, und im Januar 1937 erreichte er nach teilweise schwierigen Verhandlungen, worauf er seit langem hingearbeitet hatte: den Abschluß eines Freundschafts- und Nichtangriffspaktes mit dem Nachbarland. Ein Nichtangriffsvertrag mit dem Balkanpakt, im Juli 1938 in Saloniki unterzeichnet, befreite Bulgarien von den Rüstungsbeschränkungen des Friedensvertrags von Neuilly und ermöglichte es ihm, Truppen in der entmilitarisierten Zone an der griechischen Grenze zu stationieren.
Ähnlich wie Rumänien baute auch Bulgarien in den dreißiger Jahren seine Handelsbeziehungen zu Deutschland aus, das traditionell der wichtigste Abnehmer
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