Geschichte des Westens
gestellt wurde, antwortete mit der Verhängung des Ausnahmezustands, konnte damit aber die Ordnung nicht wiederherstellen. Die allgemeine Unzufriedenheit rief eine Gruppe von Offizieren und Zivilisten auf den Plan, die im Dezember 1917 mit einem Staatsstreich den führenden Kopf der Verschwörer, den Mathematikprofessor an der Universität Coimbra und früheren Botschafter in Berlin, Sidónio Paes, an die Macht brachte.
Paes führte das allgemeine Wahlrecht für Männer ein, ließ sich selbst zum Präsidenten wählen, gründete eine eigene Nationalrepublikanische Partei und errichtete eine Art plebiszitärer Präsidialdiktatur, die die konkurrierenden Parteien und die Gewerkschaften unterdrückte und sich auch deswegen der Unterstützung der katholischen Kirche, der Unternehmer und Grundbesitzer sowie der Armee erfreute. Im Dezember 1918 wurden zwei Attentate auf Paes verübt: Das erste mißlang, beim zweiten wurde er von Pistolenkugeln tödlich getroffen.
So kurz die Diktatur von Sidónio Paes war, so wirkte sie doch noch lange nach – als eine Vorform der faschistischen Regime der Zwischenkriegszeit. Zu deren Wegbereitern gehörte in Portugal der «Integralismo Lusitano» mit seinem maßgeblichen Ideologen António Sardinha, der sich stark an das Vorbild von Charles Maurras und der Action française anlehnte. In derselben Richtung wurde nach der Rückkehr zur Verfassung von 1911 der «Nationale Kreuzzug» aktiv, eine Organisation der radikalen Rechten, die die Ablösung der parlamentarischen Demokratie durch ein autoritäres Regime anstrebte. Neben Integralisten und Nationalisten opponierten auch die Monarchisten gegen die bestehende Ordnung. Sie unternahmen mehrere Umsturzversuche, auf die die Republikaner mit einem Aufruf zur Volksbewaffnung antworteten. Einen mörderischen Höhepunkt erreichte die innere Unruhe in der «Blutnacht» vom 19. Oktober 1921.
Als einzige zuverlässige Ordnungsmacht erschien angesichts des politischen Chaos vielen Angehörigen der besitzenden Schichten, namentlich den Großgrundbesitzern und der katholischen Kirche, immer mehr das Militär. Teile des Heeres, die diese Sicht teilten, unternahmen im April 1925 einen Umsturzversuch, der aber am Widerstand einiger Regimenter und der Republikanischen Nationalgarde scheiterte. Im Mai 1926 putschte das Militär erneut, und diesmal mit Erfolg: Die Regierung der Demokratischen Partei wurde gestürzt. Im Juli 1926 löste General Antonio Carmona den eher unpolitischen Führer der Erhebung, General Gomes da Costa, ab und errichtete eine Militärdiktatur. Im April 1928 ließ er sich zum Präsidenten wählen: ein Amt, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1951 innehatte.
Die größte Herausforderung des neuen Regimes war die Sanierung der Finanzen. Mit dieser Aufgabe wurde im April 1928 der Professor der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften an der Universität Coimbra, Oliveira Salazar, betraut. Salazar wurde, da er mit seiner rigorosen Stabilisierungspolitik Erfolg hatte, rasch zum «starken Mann» der Regierung. Im Juli 1932 trat er auch formell als Ministerpräsident an ihre Spitze; er behielt diese Position 36 Jahre lang, bis zum September 1968.
Die neue Verfassung vom 19. März 1933 machte aus Portugal formell ein Präsidialregime, in dem der Ministerpräsident nur dem Staatspräsidenten verantwortlich war. Tatsächlich war Ministerpräsident Salazar die beherrschende Figur. Die Abgeordneten der Nationalversammlung wurden nach einem abgestuften, also ungleichen Wahlrecht gewählt. Das Oberhaus, die Ständekammer, war berufsständisch gegliedert, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennt vertreten waren. Ein Arbeitsstatut vom September 1933 verbot Streiks und Aussperrungen. Ebenfalls aus dem Jahr 1933 stammten Dekrete über die Pressezensur und die Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Beide trugen erheblich dazu bei, daß die Wahlen stets im Sinn der Regierung ausfielen. Der «Estado Novo» Salazars lehnte sich, ähnlich wie der Austrofaschismus, eng an das Ideal eines christlichen Ständestaates an, wie es in der Enzyklika «Quadragesimo anno» von Papst Pius XI. aus dem Jahr 1931 entwickelt worden war. Der Begriff «Klerikalfaschismus» kam der Wirklichkeit nahe, traf sie aber dennoch nicht ganz: Staat und Kirche blieben getrennt. Zwischen beiden kam es, da die Kirche nicht als juristische Person anerkannt war, immer wieder zu Konflikten, die erst 1940 durch ein Konkordat beigelegt wurden.
Für den Massenrückhalt
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