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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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sollten vor allem die 1930 geschaffene Staatspartei, die União Nacional, sowie die sechs Jahre später ins Leben gerufene paramilitärische Miliz, die Legião Portuguesa, und die ebenfalls 1936 gegründete Staatsjugend, die Mocidade Portuguesa, sorgen. Doch die Staatspartei hatte lediglich eine dienende, die Regierung stützende Funktion; anders als in vollentwickelten faschistischen (oder kommunistischen) Regimen war sie kein eigenständiger Machtfaktor. Für die Einschüchterung und Unterdrückung aller oppositionellen Kräfte war vorrangig die 1933 entstandene Geheime Staatspolizei, die Policia de Vigilância e de Defesa do Estado, die 1945 in Policia Internacional e de Defesa do Estado umbenannt wurde, zuständig. Zu ihrem Apparat gehörten Sondergerichte, Spezialgefängnisse und eine große Zahl von Spitzeln. Staatsideologie war ein mystischer Nationalismus, in dessen Mittelpunkt der Kult der katholischen Sendung Portugals und seines Kolonialreiches stand.
    Portugal blieb unter dem «Estado Novo» ein Agrarland: 1940 machten die in der Industrie beschäftigten Arbeiter nur ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung aus. Die Wirtschaftspolitik war auf weitgehende Autarkie ausgerichtet und förderte ungewollt die ökonomische Stagnation. Die Zahl der Analphabeten, die 1911 bei 70 Prozent der Bevölkerung lag, ging nur langsam zurück. Von einer Modernisierungsdiktatur war der «neue Staat» also weit entfernt, von der für totalitäre Systeme typischen ideologischen Dynamik freilich auch. Der Außenwelt gegenüber trat der Salazarismus defensiv auf. Die Zustimmung, die das autoritäre System fand, war nicht nur eine Folge von Repression und Propaganda. Sie war auch eine Reaktion auf die anhaltende Erfahrung von Instabilität und Chaos in den Jahren vor 1926 und wie diese eine Folge der gesellschaftlichen Rückständigkeit des Landes – eines Erbes, für das der reaktionäre Iberokatholizismus einen Großteil der Verantwortung trug.
    Anders als Portugal blieb Spanien im Ersten Weltkrieg bis zuletzt neutral – auch dann noch, als deutsche Unterseeboote 1917 im Zeichen des uneingeschränkten U-Boot-Krieges spanische Handelsschiffe versenkten. Im gleichen Jahr geriet das oligarchische System des Königreichs mehrfach in ernste Bedrängnis. 1916 hatten sich die bürgerlichen Offiziere des Heeres, die dort seit der sozialen Öffnung des Militärs unter der Cortes-Verfassung von 1812 den Ton angaben, inJuntas de Defensa zusammengeschlossen, die die adligen Großgrundbesitzer, die Regierung und das parlamentarische System scharf angriffen. Im August 1917 forderten sie König Alfons XIII. auf, zusammen mit ihnen und allen reformwilligen Kräften das Regime zu Fall zu bringen, das sie für ihre schlechte Besoldung, das innenpolitische Chaos und die Korruption verantwortlich machten. Der König verweigerte sich dem Staatsstreich, die Juntas aber blieben bestehen und bildeten weiterhin eine Gefahr für die konstitutionelle Ordnung.
    Eine andere Herausforderung ging von einer parlamentarischen Fronde aus, die von der katalanischen Lliga Regionalista unter Francesc Cambó, den Republikanern und Alejandro Lerroux und den Sozialisten um Pablo Iglesias getragen wurde. Die oppositionellen Abgeordneten hätten vermutlich einiges bewirken können, wenn sie eine Allianz mit den Juntas zustande gebracht hätten. Die aber waren zu vorsichtig, um sich auf eine Verbindung mit katalanischen Regionalisten, Republikanern und Sozialisten einzulassen.
    Wirklich gefährlich aber wurde die Lage, als sich im Sommer 1917 der soziale Protest gegen die wirtschaftlichen Nutznießer der Kriegskonjunktur, der Exporteure von Rohstoffen, Agrar- und Industrieprodukten, radikalisierte. Im August 1917 erweiterte sich ein Streik der Eisenbahner und Hafenarbeiter unter maßgeblicher Beteiligung von Sozialisten wie Francisco Largo Caballero und Julián Besteiro zu einem unbefristeten Generalstreik. Die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Eduardo Dato e Iradier antwortete mit der Verhängung des Belagerungszustandes und warf die kämpfenden Arbeiter binnen weniger Tage mit Hilfe der Armee nieder. Besonders blutig verliefen die Polizei- und Militäraktionen in Barcelona und im asturischen Bergbaugebiet, wo sich der junge Major Francisco Franco durch sein entschiedenes Vorgehen gegen die Streikenden einen Namen machte. Die proletarische Erhebung scheiterte auch deshalb, weil sie unter den Reformkräften in Parlament und Heer keine

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