Geschichte des Westens
sprach zunächst wenig für eine solche Entwicklung: Die Arbeiterbewegung spaltete sich auch in Skandinavien. Den Anfang machte Schweden, wo sich 1917 der linke Flügel der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei aus Protest gegen die Bildung einer Koalition aus Liberalen und Sozialdemokraten von der Mutterpartei trennte und als Unabhängige Sozialistische Partei verselbständigte. 1921 spalteten sich dann auch die Unabhängigen: Die Mehrheit konstituierte sich als Kommunistische Partei, die Mitglied der Dritten Internationale wurde. Das war aber noch nicht das Ende des Spaltungsprozesses. Wegen Widerstands gegen die Linie der Komintern wurden 1923 die Parteiführung um Carl Höglund und etwa 3000 ihrer Anhänger aus der Kommunistischen Internationale ausgeschlossen, woraufhin sie eine neue Partei, die Unabhängige Kommunistische Partei, gründeten. 1929 ereilte die zunächst moskauloyale KP unter Karl Kilbom dasselbe Schicksal: Sie wurde wegen Rechtsabweichung aus der Komintern ausgeschlossen und nannte sich fortan NationalkommunistischePartei. Die Rest-KP blieb eine Splitterpartei. Die Linkssozialisten hatten sich bereits 1923 wieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angeschlossen.
Anders als in Schweden übernahmen in Norwegen im Frühjahr 1918 die Radikalen die Führung der Norwegischen Arbeiterpartei. Im März 1919 beteiligte sich die Arbeiterpartei an der Gründung der Kommunistischen Internationale; der gemäßigte Flügel konstituierte sich 1921 als Norwegische Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die aber nur eine Minderheit der Arbeiterschaft repräsentierte. Der Vorsitzende der nach links gerückten Arbeiterpartei, Martin Tranmael, war aber ebensowenig wie sein schwedischer Genosse Carl Höglund ein «Bolschewik», sondern ein Verfechter innerparteilicher Demokratie. Im September 1923 kam es zum endgültigen Bruch mit Moskau: Ein Kongreß der Arbeiterpartei beschloß den Austritt aus der Komintern; der Rest bildete die Kommunistische Partei Norwegens, die wie ihre schwedische Schwester eine Splitterpartei blieb. 1927 schlossen sich die Arbeiterpartei und die Sozialdemokratische Partei wieder zu
einer
Partei zusammen und legten damit den Grundstein für deren Aufstieg zur größten Partei des Königreichs. Sehr viel später als in Schweden und Norwegen, nämlich erst 1922, kam es in Dänemark zur Gründung einer Kommunistischen Partei. Sie gelangte über eine Kümmerexistenz nicht hinaus: Bei den Wahlen von 1924 entfielen auf sie etwa 6000, auf die Sozialdemokraten knapp 470.000 Stimmen.
Schweden trat mit zwei wichtigen verfassungspolitischen Neuerungen in die Nachkriegszeit ein: 1919 wurde das allgemeine gleiche Männerwahlrecht für die erste und das Frauenwahlrecht für die zweite Kammer des Reichstags eingeführt. Im Jahr darauf gab sich die Schwedische Sozialdemokratische Arbeiterpartei ein neues, reformistisches Programm, das eine progressive Einkommenssteuer, eine hohe Erbschaftssteuer und eine Arbeitslosenversicherung, aber auch eine Vergesellschaftung von Großbetrieben und eine Staatskontrolle über private Unternehmungen forderte. Im März 1920 beauftragte König Gustav V. den Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Hjalmar Branting, mit der Regierungsbildung. Kriegsminister dieser ersten von Sozialdemokraten geführten Regierung der Welt, die ohne vorhergehenden Umsturz an die Macht gelangte, wurde der Redakteur Per Albin Hansson, einer der Väter des neuen Parteiprogramms.
Das erste Kabinett Branting blieb, da es mit seinem Gemeindesteuerprogrammscheiterte, nur wenige Monate im Amt. Bei den Wahlen von 1920 stieg die Sozialdemokratie zur stärksten Partei auf. Branting bildete erneut die Regierung. Im April 1923 trat er, nachdem er sich mit dem Plan einer Arbeitslosenunterstützung nicht hatte durchsetzen können, zurück. Sein Nachfolger, der konservative Ernst Trygger, tat denselben Schritt, als die Wahlen vom Herbst 1924 an der Kräfteverteilung in der zweiten Kammer nichts Wesentliches änderten. Es folgten Minderheitskabinette erst unter sozialdemokratischer, dann von 1926 bis 1928 unter freisinniger, von 1928 bis 1930 unter konservativer und von 1930 bis 1932 wieder unter freisinniger Führung. Die erste rein sozialdemokratische Regierung bildete 1932 Per Albin Hansson. Er war nach Brantings Tod im Jahr 1925 an die Spitze der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei getreten.
Eine der wichtigsten innenpolitischen Streitfragen war die Prohibition. Zu den Vorkämpfern eines völligen
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