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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Führer der DAF ernannt. Die Führung der Arbeiterverbände übernahm Walter Schumann, der Leiter der NSBO. Das «Dritte Reich» hatte damit seine Organisation der Arbeit. Unabhängige Organisationen der Arbeiter aber gab es seit dem 4. Mai 1933 nicht mehr. Tarifliche Lohnvereinbarungen gehörten ebenfalls der Vergangenheit an. Die Bedingungen für den Abschluß von Arbeitsverträgen rechtsverbindlich zu regeln oblag auf Grund eines Gesetzes vom 19. Mai 1933 Treuhändern der Arbeit, die vom Reichskanzler ernannt wurden.
    Im Unterschied zu den Gewerkschaften konnten die Unternehmerverbände ihre organisatorische Selbständigkeit behaupten. Sie mußten sich zwar von ihren jüdischen und, in den Augen der Nationalsozialisten, politisch belasteten Spitzenfunktionären trennen, sicherten sichdadurch aber ein hohes Maß an korporativer Kontinuität. Im Juni 1933 schlossen sich der Reichsverband der Deutschen Industrie und die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum Reichsstand der deutschen Industrie zusammen. Der Begriff «Stand» kam der Sprache der nationalsozialistischen Mittelstandsideologen entgegen. In der Sache aber erlitten diese im Sommer 1933 eine schwere Niederlage: Es gelang ihnen nicht, die Großwirtschaft ihrer Kontrolle zu unterwerfen; sie mußten auf Weisung des «Stellvertreters des Führers», Rudolf Heß, ihre Kampagnen gegen die «jüdischen» Warenhäuser und die «marxistischen» Konsumvereine einstellen. Eine Zerschlagung von Warenhäusern und Konsumgenossenschaften hätte die Entlassung zahlreicher Arbeiter und Angestellten zur Folge gehabt, kam also nicht in Frage. Die Mittelstandsfunktionäre der NSDAP mochten auf die anderslautenden Aussagen des Parteiprogramms von 1920 pochen, doch nachdem die Partei an der Macht war, hatten übergeordnete Gesichtspunkte den Vorrang.
    Wiederum anders verlief die Entwicklung bei den landwirtschaftlichen Organisationen. Der Reichslandbund, der im Januar 1933 viel dazu beigetragen hatte, daß Hitler Reichskanzler werden konnte, ging im Juli 1933 im neugeschaffenen Reichsnährstand auf. An seine Spitze trat Richard Walther Darré, der Führer des Agrarpolitischen Apparates der NSDAP, der im Monat zuvor die Nachfolge Hugenbergs als Reichswirtschafts- und Reichsernährungsminister übernommen hatte. Der Machzuwachs des nationalsozialistischen Landwirtschaftspolitikers ging einher mit einer Machtminderung des ostelbischen Rittergutsbesitzes, der über Jahre hinweg der Politik des Reichslandbundes und der Deutschnationalen Volkspartei seinen Stempel aufgedrückt hatte. Die Verlagerung der Gewichte von den Großagrariern zur bäuerlichen Landwirtschaft entsprach einer strategischen Zielsetzung Hitlers: der Herstellung größtmöglicher Autarkie als Voraussetzung eines Lebensraumkrieges, der Deutschland vollständige Unabhängigkeit in allen Bereichen der Wirtschaft verschaffen sollte. Die Neuordnung der landwirtschaftlichen Interessenorganisation war, so gesehen, ebenso «logisch» wie der Verzicht auf radikale Veränderungen im industriellen Verbandswesen.
    Die Zerschlagung der Freien Gewerkschaften konnte nicht ohne Folgen auf die Sozialdemokratie bleiben. Am 4. Mai beschloß der Parteivorstand der SPD, daß drei hauptamtliche Vorstandsmitglieder mitOtto Wels an der Spitze außer Landes gehen sollten, um den Kampf gegen Hitler von draußen weiterzuführen. Erste Station des Exilvorstands war Saarbrücken. Damit bahnte sich eine politische Teilung der SPD an: hier die Gruppe um Wels, dort die «Reichs-SPD», die in dem ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe ihren inoffiziellen Sprecher fand.
    Kurz darauf kam es zum offenen Konflikt zwischen den beiden «Lagern». Auf den 17. Mai war der Reichstag zu seiner ersten Sitzung nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes einberufen worden. Hitler wollte an diesem Tag eine Regierungserklärung zur Genfer Abrüstungskonferenz abgeben. Um der außenpolitischen Isolierung des Reiches entgegenzuwirken, lag dem Kanzler an einer Demonstration nationaler Geschlossenheit. Der Parteivorstand in Saarbrücken empfahl der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion eine andere Demonstration: die Nichtbeteiligung an der Sitzung. In der Fraktion vertrat nur eine Minderheit unter der Führung des Abgeordneten Kurt Schumacher diese Position. Die Mehrheit fügte sich einer Erpressung des Reichsinnenministers Wilhelm Frick: Dieser hatte im Ältestenrat des Reichstags den Sozialdemokraten mit der Ermordung

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