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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Kosten synthetisch herzustellen, die deutsche Stahl- und Kohleproduktion außerordentlich zu steigern. Wirtschaftssabotage mußte mit dem Tod bestraft werden, für alle Schädigungen der deutschen Wirtschaft war das gesamte Judentum haftbar zu machen. Die endgültige Lösung aber konnte nur «Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes» heißen, also Krieg, und zwar nicht irgendwann, sondern schon in naher Zukunft. Die beiden Folgerungen, mit denen die Denkschrift schloß, waren ebenso klar wie apodiktisch: «I. Die deutsche Armee muß in 4 Jahren einsatzfähig sein. II. Die deutsche Wirtschaft muß in 4 Jahren kriegsfähig sein.»
    Um das ehrgeizige Ziel der größtmöglichen Autarkie in kürzester Frist zu erreichen, schuf das Regime einen großen staatswirtschaftlichen Sektor unter Leitung des im Oktober 1936 ernannten Beauftragten für den Vierjahresplan. Hermann Göring, der damit seinen bisherigen Ämtern, denen des Reichstagspräsidenten, des preußischen Ministerpräsidenten, des Reichsministers für die Luftfahrt, des Oberbefehlshabers der Luftwaffe und des Reichsforst- und Reichsjägermeisters, ein neues hinzufügen konnte. Görings Behörde wurde damit zum Gegenpol des Reichswirtschaftsministeriums und Göring selbst zum Widerpart Hjalmar Schachts, der seinerseits in Personalunion Reichsbankpräsident, Reichswirtschaftsminister und (seit Mai 1935) Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft war.
    Der Vierjahresplan, schon begrifflich eine Anleihe bei der Sowjetunion, leitete den Übergang zum nationalsozialistischen Staatskapitalismus ein: Der Einfluß des Regimes auf die Wirtschaft gewann eine neue Qualität. Im Juli 1937 wurde in Salzgitter die «A. G. für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring» gegründet – die Keimzelle der ein Jahr später ins Leben gerufenen «Reichswerke Hermann Göring», eines Mammutkonzerns, der 1940 fast 600.000 Menschen beschäftigte und alle Produktionsstufen in sich vereinigte. Schacht zog ausseiner fortschreitenden Entmachtung die Konsequenzen: Im August 1937 bat er Hitler um seine Entlassung als Reichswirtschaftsminister und Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Am 26. November 1937 gab Hitler dem Antrag statt. Das Amt des Reichsbankpräsidenten behielt Schacht noch bis zum Januar 1939.
    Die Entscheidung für den absoluten Vorrang der Rüstung mußte die Staatsverschuldung in schwindelnde Höhen treiben – jedenfalls dann, wenn das Regime eine entsprechende höhere Besteuerung der Bevölkerung und damit eine Minderung des Massenkonsums ausschloß. Diese Option aber kam für Hitler zu keiner Zeit in Frage. Es gab nichts, was ihn mehr ängstigte als Unzufriedenheit bei den Arbeitern. Der britische Historiker Timothy W. Mason hat in seinem 1975 erschienenen Werk «Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft» von der geradezu traumatischen Erinnerung Hitlers und anderer führender Nationalsozialisten an den November 1918 gesprochen: ein Ereignis, das sie entsprechend der «Dolchstoßlegende» als Verhinderung des Endsiegs durch eine Revolution in der Heimat deuteten.
    Der wirtschaftliche Aufschwung seit 1933 hatte den meisten Deutschen eine Verbesserung ihrer materiellen Lebensverhältnisse gebracht: Die durchschnittlichen Wochenverdienste lagen 1937 um 20,6 Prozent höher als im Depressionsjahr 1932, aber um 28,8 Prozent niedriger als 1929; der Index der Lebenshaltungskosten hingegen war zwischen 1932 und 1937 nur um 3,7 Prozent gestiegen. Viele «Volksgenossen» konnten sich nun erstmals ein so wertvolles Konsumgut wie den «Volksempfänger» leisten (der zugleich das wichtigste Mittel zur Verbreitung der nationalsozialistischen Propaganda war). Zwischen August 1933 und August 1934 wurden 650.000 dieser preiswerten Rundfunkgeräte verkauft, weitere 854.000 bis Ende 1935. 1938 stand in 70 Prozent aller großstädtischen Haushalte ein solcher Apparat. Auf dem Lande freilich war der Besitz eines «Volksempfängers» viel seltener.
    1933 besaß nur jeder 37. Haushalt einen Personenkraftwagen. 1934 versprach Hitler, ein Auto für das Volk bauen zu lassen, das nicht mehr als 1000 Reichsmark kosten sollte. Im Juli 1936 entschied sich der «Führer» für den Bau des «Volkswagens» in einem staatseigenen Werk, das der populären Freizeitorganisation «Kraft durch Freude», einer Abteilung der Deutschen Arbeitsfront, unterstand; im Mai 1938nahm das von Ferdinand Porsche geleitete Volkswagenwerk in

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