Geschichte des Westens
der kurz darauf gegründeten Stadt Wolfsburg am Mittellandkanal seine Arbeit auf. Bis 1939 unterzeichneten 270.000, bis zum Kriegsende 340.000 Deutsche einen Sparvertrag, der, wenn die Summe von 750 Reichsmark erreicht war, zum Kauf eines solchen Autos berechtigen sollte. Zwar erhielt bis 1945 kein einziger ziviler Kunde einen «Volkswagen», und die inzwischen angesparten 275 Millionen Reichsmark, deren Zinsen das Reich eingestrichen hatte, wurden durch die Nachkriegsinflation vernichtet. Aber in den Vorkriegsjahren des «Dritten Reiches» genügte schon die Erwartung, in absehbarer Zeit im eigenen «Volkswagen» auf den Reichsautobahnen, den «Straßen des Führers», durch Deutschland fahren zu können, um die Popularität des Regimes und Hitlers persönlich zu steigern.
Im Jahr 1937 sank die Zahl der Arbeitslosen auf 912.000, was einem Erwerbslosenanteil von 4,6 Prozent entsprach. Bis zum folgenden Jahr wurde die Zahl der Erwerbslosen nochmals halbiert: Sie fiel auf 430.000 oder 2,1 Prozent. Damit erreichte Deutschland als erste der von der Weltwirtschaftskrise hart getroffenen Industrienationen den Zustand der Vollbeschäftigung. Die Hochkonjunktur beruhte zum größten Teil auf einer «kreativen» Kreditschöpfung, den Mefowechseln – auf einer Staatsschuld, die nur durch die Eroberung fremder Territorien und die Ausbeutung ihrer Ressourcen und Arbeitskräfte abgetragen werden konnte. Hätte Hitler den Krieg nicht schon seit langem geplant, so hätte er ihn spätestens seit 1936 planen müssen: Anders war der Folge gigantischer Investitionen in unproduktive Zwecke, dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen, nicht zu entgehen. Um den Beginn des Krieges nicht in eine fernere Zukunft hinausschieben zu müssen, lehnte Hitler eine «Tiefenrüstung», wie sie der Chef des Wehrwirtschaftsstabes im (seit Mai 1935 so genannten) Reichskriegsministerium, Oberst Georg Thomas, forderte, ab und setzte auf eine «Breitenrüstung» – eine Rüstung, die es nicht erlaubte, einen längeren Krieg, sondern lediglich «Blitzkriege» zu führen. Aus der Beute dieser Kriege sollten die nächsten Blitzkriege finanziert werden: So wollte Hitler die unkalkulierbaren Kosten der Verwirklichung seines Lebensraumprogramms bestreiten.
Je mehr die Arbeitslosenzahlen sanken, desto mehr erhöhte sich der Marktwert des Produktionsfaktors Arbeit. In den prägnanten Worten Masons: «Die Lage auf dem Arbeitsmarkt machte es ab 1936den Arbeitern möglich, in einem gewissen Maße Bedingungen für die eigene politische Unterwerfung zu stellen. Da der DAF die Stabilisierung dieser Unterwerfung oblag, machte sie sich die Bedingungen der Arbeiterklasse dafür zum guten Teil zu eigen: Diese zielten zu allermindest auf einen Anteil an der steigenden Prosperität, was notwendigerweise eine Verschärfung der Konflikte zwischen der DAF und denjenigen Instanzen und Interessen führte, die sich allen Lohnsteigerungen, der Bezahlung von Feiertagen, dem Ausbau betrieblicher Wohlfahrtseinrichtungen widersetzen mußten.» Hätte die Deutsche Arbeitsfront die Unternehmer, die staatliche Bürokratie und das Militär bei der erstrebten Einschränkung des Konsums unterstützt, wäre sie Masons treffendem Urteil zufolge als Massenorganisation für das Herrschaftssystem in kürzester Zeit unbrauchbar geworden. «Wegen der anhaltenden Sorge der Herrschenden um ihre Legitimation erwies sich die negative Macht der Arbeiterklasse als stark genug, diesen Weg von vornherein ungangbar zu machen. Um ihre Gunst mußte in
le plébiscite de tous les jours
(dem sich täglich wiederholenden Plebiszit [Ernest Renan], H. A. W.) geworben werden.»
Zwischen Dezember 1935 und Juni 1939 stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne in der Industrie um 10,9 Prozent, im Produktionsgütersektor, zu dem die meisten Rüstungsbetriebe gehörten, sogar um 11,3 Prozent. Die Wochenlöhne erhöhten sich infolge verlängerter Arbeitszeiten noch stärker, nämlich um 20,7 Prozent, wobei hier die Konsumgüterbranchen mit einem Zuwachs von 20,7 Prozent noch vor den Produktionsgüterindustrien lagen. Im Durchschnitt verdiente der männliche Arbeiter 1939 wöchentlich 5,80 Reichsmark, die Arbeiterin 2,50 Reichsmark mehr als 1936. Die Konsumkraft der arbeitenden Bevölkerung wuchs dadurch um 85 Millionen Reichsmark und durch die steigenden Beschäftigungszahlen nochmals um 115 bis 120 Millionen Reichsmark pro Woche.
Die Einkommenssteigerungen der Jahre seit 1935 gingen den zeitgenössischen
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