Geschichte des Westens
Minierarbeit der bolschewistischen Drahtzieher wirksam zu werden. In einer Zeit, da bürgerliche Staatsmänner von Nichteinmischung reden, betreibt eine internationale jüdische Revolutionszentrale von Moskau aus über alle Rundfunksender und durch tausend Geld- und Agitationskanäle die Revolutionierung dieses Kontinents.» Die Folgerung, die Hitler aus dieser Lagebeurteilung zog, schien in sich schlüssig: So wie der Nationalsozialismus im Innern mit dieser «Weltverhetzung» fertig geworden sei, werde er «auch jeden Angriff von außen mit brutalster Entschlossenheit abwehren» – und deshalb rüste Deutschland auf.
Sehr viel leichter als London war Rom für eine Art von antikommunistischer Internationale zu gewinnen. Der Abessinienkrieg hatte die Kluft zwischen dem faschistischen Italien und den westlichen Demokratien vertieft und nahezu zwangsläufig zu einer Annäherung an das Deutsche Reich geführt, von dem Italien wirtschaftlich ohnehin inhohem Maß abhängig war. Hitler hatte Mussolini durch umfangreiche Rohstofflieferungen geholfen, die Sanktionen des Völkerbundes weithin wirkungslos zu machen, was der «Duce» dadurch honorierte, daß er den Streitpunkt Österreich entschärfte und Bundeskanzler Schuschnigg zu einer Verständigung mit Deutschland drängte. Der schärfste Widersacher einer solchen Politik, Vizekanzler und Heimwehrführer Rüdiger Starhemberg, war, nachdem er anläßlich der Eroberung von Addis Abeba ein unautorisiertes und höchst undiplomatisches Glückwunschtelegramm an Mussolini geschickt hatte, von Schuschnigg aus der Regierung entfernt worden. Die Führung der «Vaterländischen Front», der Dachorganisation der regierungsnahen Kräfte, übernahm an Stelle Starhembergs Schuschnigg. Infolgedessen konnte sich in den folgenden Wochen in Wien ohne größeren Widerstand jene Linie eines «deutschen Weges» durchsetzen, auf die von Seiten des Deutschen Reiches Botschafter von Papen seit seiner Berufung im August 1934 mit Unterstützung Hitlers hingearbeitet hatte.
Am 11. Juli 1936 wurde ein Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Österreich geschlossen. Im öffentlichen Teil des Abkommens erkannte Deutschland die «volle Souveränität des Bundesstaates Österreich» an und hob die im Mai 1934 verhängte Tausend-Mark-Sperre für Reisen nach Österreich auf. Österreich bekannte sich seinerseits als «deutscher Staat». Im geheimen Teil verpflichtete sich Wien, seine auswärtige Politik «unter Bedachtnahme auf die friedlichen Bestrebungen der deutschen Reichsregierung zu führen» und bei Fragen, die beide Regierungen berührten, mit Berlin in einen Meinungsaustausch einzutreten. Österreich versprach überdies eine großzügige politische Amnestie und in naher Zukunft eine Regierungsbeteiligung der «bisherigen sogenannten nationalen Opposition in Österreich». Tatsächlich galten bereits zwei am 11. Juli ernannte Mitglieder der Regierung als Vertrauensmänner der betont nationalen Kreise: der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Guido Schmidt und der Minister ohne Geschäftsbereich Edmund Glaise-Horstenau. (Im November wechselte Schmidt in das von Schuschnigg geleitete Außenministerium, Glaise-Horstenau übernahm das Innenministerium.) Im Oktober 1936 wurden die Heimwehren aufgelöst, im Juni 1937 der nationalsozialistische Rechtsanwalt Arthur Seyß-Inquart in den Staatsrat berufen. Er fungierte fortan als Verbindungsmann sowohl zwischen Schuschnigg und Hitler wie zwischen dem Bundeskanzler und der «nationalen Opposition».Die österreichische NSDAP freilich blieb verboten. Österreich war seit dem Juli 1936 ein Staat mit drastisch eingeschränkter Souveränität – wenig mehr als ein Satellit des Deutschen Reiches.
Die einvernehmliche, wenn auch nur scheinbare Lösung der Österreichfrage ebnete den Weg für eine intensive Ausgestaltung des deutsch-italienischen Verhältnisses. Am 23. Oktober 1936 unterzeichneten die beiden Außenminister, Konstantin Freiherr von Neurath und Galeazzo Graf Ciano, der Schwiegersohn des «Duce», ein geheimes Kooperations- und Konsultationsabkommen, womit der Grund für die «Achse Berlin-Rom» gelegt war, die Mussolini am 1. November proklamierte. Um sie herum sollten sich fortan alle europäischen Staaten bewegen können, «die vom Willen zur Zusammenarbeit und zum Frieden beseelt waren»: eine eigenwillige Umschreibung der Kooperation beider Mächte im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nationalisten um General Franco, dessen
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