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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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stattfanden, versuchte Roosevelt, die Staaten Lateinamerikas auf die außenpolitischen Maximen der USA festzulegen. Argentinien, seit 1930 ein verdecktes Militärregime, widersetzte sich jedoch erfolgreich dem Bemühen der Vereinigten Staaten, die Republiken des Subkontinents zur gemeinsamen Abwehr einer Bedrohung von außen zu verpflichten. Das Ergebnis war ein wechselseitiges Konsultationsversprechen, verbunden mit einem Einmischungsverbot, das faktisch einer Selbstverpflichtung der USA gleichkam. Erst im Juli 1940, ein knappes Jahr nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, beschloß eine interamerikanische Konferenz in Havanna, dem Wunsch Washingtons entsprechend, jeden von außen kommenden Angriff auf ein Unterzeichnerland als einen Angriff auf alle zu betrachten.
    Innenpolitisch stand das erste Jahr von Roosevelts zweiter Amtszeit im Zeichen von drei Krisen. Die erste Krise erwuchs aus dem im Februar 1937 vorgelegten, schon erwähnten Plan des Präsidenten, die konservative Mehrheit im Supreme Court dadurch zu brechen, daß für jeden Richter, der das 70. Lebensjahr vollendet hatte, ein zusätzlicher Richter ernannt wurde. Nicht nur die Republikaner, sondern auch viele Demokraten, darunter betont liberale, sahen in dem beabsichtigten «Court-packing» einen Anschlag auf die amerikanische Verfassung. Das Problem der Obstruktion wichtiger New-Deal-Gesetze durch den Obersten Gerichtshof löste sich dadurch, daß ein eher konservativer Richter Ende März 1937 ins liberale Lager wechselte und damit den Reformfreunden zur Mehrheit verhalf. Wenig später traten mehrere konservative Richter zurück; sie wurden durch progressive ersetzt, so daß man fortan von einem «Roosevelt Court» sprechen konnte. Die Erbitterung über den (im August 1937 definitiv zu Fall gebrachten) Versuch des Präsidenten, die Mehrheitsverhältnisse im Obersten Gericht zu manipulieren, überdauerte jedoch den aktuellen Streit. Roosevelt konnte sich seit 1937 auf die loyale Unterstützung dereigenen Partei im Kongreß nicht mehr im gleichen Maß wie zuvor verlassen.
    Die zweite Krise war sozialer Natur. Ende Dezember 1936 hatten die Arbeiter von General Motors in Flint, Michigan, mit Sitzstreiks, das heißt Werkbesetzungen, begonnen, die viele Beobachter an die Frühphase der Volksfrontära in Frankreich erinnerten. Im Februar 1937 kapitulierte die Konzernleitung und erfüllte die Forderungen der United Automobile Workers (UAW), bei denen in der Tat Sozialisten, Kommunisten und Trotzkisten wichtige Schlüsselpositionen innehatten. Daß der alte Dachverband, die American Federation of Labor (AFL), die Automobilarbeitergewerkschaft 1937 ausschloß, schadete den UAW nicht im mindesten: Ihre Mitgliederzahlen schnellten binnen kurzem von 35.000 auf 400.000 empor; sie bildeten fortan eine der stärksten Säulen des neuen, radikaleren Dachverbands, des Congress of Industrial Organization (CIO). Sitzstreiks gab es 1937 auch in anderen Großunternehmen, unter anderem bei United Steel, Firestone Tire and Rubber und American Woolen. Was die Unternehmer und die Konservativen empörte, war die Haltung der demokratischen Gouverneure und des Präsidenten. Die Gouverneure weigerten sich, die Fabrikbesetzungen mit Einheiten der National Guard zu beenden; Roosevelt vereitelte den Versuch des demokratischen Senators James F. Byrnes, den Senat zu einer Verurteilung der «Sit-downs» zu bewegen.
    Die dritte Krise war die der amerikanischen Wirtschaft insgesamt. Im Juni 1937 hatte Roosevelt unter dem Eindruck positiver Konjunkturdaten die öffentlichen Ausgaben drastisch gesenkt. Die Kürzungen betrafen vor allem die Works Progress Administration (WPA); die Arbeit der Public Works Administration (PWA) wurde ganz eingestellt. Zwei Monate später verzeichnete die industrielle Produktion den massivsten Rückgang der amerikanischen Geschichte. Die Auslastung der Stahlindustrie sank innerhalb von drei Monaten von 80 auf 19 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte fiel der Börsenindex der «New York Times», der im Frühjahr erstmals den Stand vor 1929 (= 100) übertroffen hatte, von 110 auf 85 Punkte und löschte damit alle seit 1935 gemachten Gewinne aus. Der Dow-Jones-Index sank zwischen August und Oktober von 190 auf 115 Punkte. Dazu kam der fortschreitende Fall der Agrarpreise, der den Kongreß im Februar 1938 zu umfangreichen Hilfsmaßnahmen, darunter die Quotierung des Weizen-, Baumwoll- und Tabakanbaus, nötigte.

Innerhalb des Kabinetts war Finanzminister Henry

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