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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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ihre Vernichtung erleben würden. Das ist keine Phrase gewesen. Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muß die notwendige Folge sein.»
    Ein anderer Teilnehmer der Zusammenkunft vom 12. Dezember, Hans Frank, gab am 16. Dezember in einer Sitzung der Regierung des Generalgouvernements zu erkennen, daß mit einer Abschiebung von Juden ins «Ostland» oder in die Ukraine nicht zu rechnen war, sondernmit ihrer Tötung im Generalgouvernement. «Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man uns die Scherereien; wir können im Ostland oder im Reichsgebiet auch nichts mit ihnen anfangen, liquidiert sie selber!… Die Juden sind auch für uns außergewöhnlich schädliche Fresser … Diese 3,5 Millionen Juden können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber doch Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich zu besprechenden Maßnahmen …»
    Zwei Tage später, am 18. Dezember 1941, notierte Himmler nach einem Gespräch mit Hitler: «Judenfrage./als Partisanen auszurotten.» Der Sinn der lakonischen Bemerkung ist nicht schwer zu entschlüsseln: Seitdem das Reich sich im Kriegszustand mit den USA befand, waren alle Juden, deren Deutschland habhaft werden konnte, ebenso zu behandeln, wie man das bislang schon mit Hunderttausenden von Juden in der Sowjetunion getan hatte.
    Am 20. Januar 1942 fand im Haus Am Großen Wannsee 56–58 in Berlin unter dem Vorsitz von Reinhard Heydrich die von Frank angekündigte Besprechung statt. Sie war ursprünglich schon auf den 9. Dezember 1941 einberufen, dann aber wegen der Veränderung der Weltlage auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Thema der Konferenz, an der Vertreter der SS, des Auswärtigen Amtes, des Reichsjustizministeriums, des Ostministeriums, der Vierjahresplanbehörde, des Generalgouvernements und der Reichskanzlei, darunter vier Staatssekretäre, ein Unterstaatssekretär und ein Ministerialdirektor, teilnahmen, war die «Endlösung der Judenfrage». Dem Protokoll zufolge, das von Adolf Eichmann, dem Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt, verfaßt war, trug Heydrich in verschlüsselter Form vor, was die von ihm angekündigte «Evakuierung der Juden nach dem Osten» zu bedeuten hatte. «Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden Straßen bauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Vernichtung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischenAufbaues anzusprechen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.) Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt …»
    Die Wannseekonferenz bildete den Auftakt großangelegter «Auskämmaktionen» mit dem Ziel, das von Deutschland beherrschte oder kontrollierte Europa «judenfrei» zu machen. In der Praxis spielte die Vernichtung durch Straßenbau fortan keine große Rolle mehr, weil die militärische Lage diese Art von Ostkolonisation nicht zuließ. Die «Endlösung» im Sinne der industriellen Menschenvernichtung sollte überwiegend auf polnischem Territorium stattfinden. Experten der «Aktion T-4» (benannt nach der Schaltstelle des Mordes an den Geisteskranken in der Tiergartenstraße 4 in Berlin) waren seit dem Herbst 1941 bei der technischen Vorbereitung der Massenliquidation behilflich: Sie hatten bei der Tötung von Geisteskranken Erfahrungen mit der Vergasung, und zwar in mobilen Gaswagen, gesammelt.
    Bereits im Oktober 1941 begann die SS mit der Errichtung des ersten «reinen» Vernichtungslagers, Belzec bei Lublin. Seit November wurden dort ortsfeste Gaskammern gebaut – ein deutliches Zeichen, daß die Entscheidung für die systematische physische Vernichtung zumindest der Ostjuden zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen war. Auf Belzec folgten Sobibór und Treblinka; die schon bestehenden Lager Auschwitz und Majdanek waren hingegen keine «reinen» Vernichtungslager, sondern Konzentrationslager, denen Wirtschaftsbetriebe angegliedert waren. Am 8. Dezember 1941 begann die Ermordung von

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