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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Beispiel der russischen «Februarrevolution» könne in der Donaumonarchie Schule machen.
    Das dreijährige Notverordnungsregime trug erheblich dazu bei, die Opposition zu radikalisieren. Das galt sowohl für die nationalistische Opposition, namentlich auf der Seite der Tschechen, als auch für den linken Flügel der Sozialdemokratie. Am 21. Oktober 1916 erschoßFriedrich Adler, der Sohn des Parteigründers Victor Adler, aus Protest gegen den Krieg wie gegen den «Sozialpatriotismus» der eigenen Partei den Ministerpräsidenten Graf Stürgkh. Adler wurde von einem Ausnahmegericht zum Tod durch den Strang verurteilt, dann jedoch zu achtzehn Jahren strengen Kerker begnadigt und am 1. November 1918 auf Grund einer kaiserlichen Amnestie aus der Haft entlassen. Sein Attentat machte ihn in den Augen seiner politischen Freunde zum Märtyrer. Aber die erhoffte Wirkung seiner Tat und seiner Verteidigungsrede vor Gericht trat nicht ein: Es kam zu keinem Massenstreik gegen den Krieg, ja nicht einmal zu Protestaktionen.
    Die früheste Form von nationalem Widerstand gegen die Regierung in Wien war die Gründung der Geheimorganisation «Maffia» in Prag Anfang 1915. Zum Kern der Verschwörergruppe gehörten die russophilen Führer der Jungtschechen, Karel Kramár und Alois Rašin, sowie der engste Mitarbeiter Masaryks, der Soziologe Edvard Beneš. Oberstes Ziel war die Gründung eines selbständigen tschechischen, möglichst tschechoslowakischen Staates. (Als Abgeordneter der Realistenpartei im Reichsrat hatte Masaryk sich noch nicht für die vollständige Unabhängigkeit eines tschechischen Staates und damit für die Auflösung des Habsburgerreiches ausgesprochen.) Beneš verließ Anfang September mit einem falschen Paß die Doppelmonarchie, um im französischen Exil zusammen mit Masaryk für das große Projekt zu arbeiten. Kramár und Rašin waren bereits im Juli 1915 wegen Hochverrats verhaftet worden. Sie kamen erst durch eine Amnestie Kaiser Karls im Juli 1918 wieder frei. Mit ihnen gelangte auch der Führer der «Nationalsozialisten», Václav Klofác, in den Genuß des Gnadenaktes.
    Solange Rußland Aussichten zu haben schien, die Mittelmächte militärisch doch noch zu bezwingen, war die rußlandfreundliche Strömung des tschechischen Nationalismus stärker als die prowestliche, für die Masaryk und Beneš standen. Die Russophilen wie Kramár konnten sich darauf berufen, daß der Oberkommandierende der russischen Armee, Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch, schon am 16. September 1914 in einem Aufruf an die Völker des Habsburgerreiches im Namen von Zar Nikolaus II. erklärt hatte, Rußland sei in den Krieg eingetreten, um den Völkern Österreich-Ungarns die Freiheit und die Erfüllung ihrer nationalen Wünsche zu bringen. Nach der russischen «Februarrevolution» von 1917 wuchs in den entschieden nationalistischen Kreisen die Hoffnung, daß die Westmächte sichdeutlicher als bisher zu Fürsprechern des nationalen Selbstbestimmungsrechtes machen würden.
    Für das Gros der maßgebenden tschechischen Politiker aber war, anders als für die Emigranten und die Inhaftierten, die Auflösung des Habsburgerreiches vor 1918 noch kein Teil ihres Forderungskatalogs. Im November 1916 schlossen sich die meisten tschechischen Parteien in einem Nationalausschuß, ihre Abgeordneten im Reichsrat auch in einem Tschechischen Verband zusammen. Die erste Erklärung des Nationalausschusses vom 18. November 1916 enthielt ein Bekenntnis zur «Monarchie und der großen historischen Aufgabe des Reiches» sowie zur «völligen Gleichstellung seiner Nationalitäten». Am 21. Januar 1917 warf der Tschechische Verband in einem Offenen Brief an Außenminister Czernin den westeuropäischen Alliierten vor, die von ihnen verlangte «Befreiung der Tschechen von der Fremdherrschaft» sei eine «Insinuation, welche auf gänzlich unrichtigen Voraussetzungen» beruhe. Wie immer in der Vergangenheit erblicke das tschechische Volk auch weiterhin seine Zukunft und die Grundlage seiner Entwicklung «bloß unter dem Habsburgischen Szepter».
    Nach der ersten der beiden russischen Revolutionen von 1917 und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten wurde die Tonart der gemäßigten Nationalisten schärfer. Ein von der «Maffia» inspiriertes, von 222 Autoren unterzeichnetes «Manifest der tschechischen Schriftsteller» bezeichnete im Mai 1917 ein «aus autonomen und freien Staaten bestehendes demokratisches Europa» als das «Europa der Zukunft». An

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