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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Himmlers.
    Um dieselbe Zeit kämpften sich sowjetische Truppen bis zum Potsdamer Platz, in die unmittelbare Nähe der Reichskanzlei und des Führerbunkers, durch. Die Verteidiger von Berlin, neben regulären Soldaten auch Hitler-Jungen und ältere Männer des «Volkssturms», hatten nicht die geringste Chance mehr gegen die Rote Armee. Diese verlor bei der «Schlacht um Berlin», die sich jetzt dem Ende zuneigte, nochmals 100.000 Mann – und damit fast so viele Soldaten wie die Amerikaner auf dem gesamten europäischen Kriegsschauplatz.
    In der Nacht vom 28. zum 29. April 1945 fiel Hitlers Entscheidung, aus der Niederlage die Konsequenz zu ziehen, die er für diesen Fall immer wieder angekündigt hatte und auf die seine Politik letztlich, wenn auch ihm selber unbewußt, angelegt war: den Selbstmord. In den frühen Morgenstunden des 29. April diktierte er sein politisches Testament, in dem er die Schuld am Krieg dem internationalen Judentum gab und «die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen Einhaltung der Rassengesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum» verpflichtete. Zum neuen Staatschef und Oberkommandierenden der Streitkräfte ernannte Hitler Großadmiral Karl Dönitz, den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, der sein Quartier im holsteinischen Plön aufgeschlagen hatte. Neuer Reichskanzler wurde Goebbels.
    Am 30. April gegen 16 Uhr tötete sich Hitler durch einen Schuß in die Schläfe. Mit ihm starb, durch Einnahme von Gift, seine langjährige Lebensgefährtin Eva Braun, die er tags zuvor geheiratet hatte. Der Rundfunk verbreitete am späten Abend des 1. Mai um 22 Uhr 26 die Nachricht, «daß unser Führer Adolf Hitler heute nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist». Hitlers Nachfolger als Reichskanzler lebte um diese Zeit schon nicht mehr: Goebbels hatte einige Stunden zuvor seine vier Kinder durch Blausäure töten lassen und dann zusammen mit seiner Frau Selbstmord begangen. Die Leichen von Joseph und Magda Goebbels wurden wie tags zuvor die von Adolf und Eva Hitler im Garten der Reichskanzlei weisungsgemäß mit Benzin übergossen und verbrannt. Dort fanden sie am 2. Mai, nachdem die Verteidiger von Berlin vor der Roten Armee kapituliert hatten, die ersten Sowjetsoldaten, die in das einstige Machtzentrum des Deutschen Reiches gelangten.
    Trauer löste die Meldung vom Tod Hitlers nur bei wenigen aus.Die meisten Deutschen nahmen sie mit einer Mischung aus Apathie und Erleichterung auf. Wo immer die alliierten Truppen näherrückten, versuchten die einstigen «Volksgenossen», Symbole des «Dritten Reiches» wie Führerbilder, Hakenkreuzfahnen, nationalsozialistische Uniformen und Parteiabzeichen so rasch wie möglich verschwinden zu lassen.
    Der Glaube an das Charisma des «Führers» hatte es Hitler mehr als alles andere ermöglicht, sich zwölf Jahre lang an der Macht zu behaupten. Die späte Einsicht, daß seine Herrschaft zur Katastrophe für Deutschland geworden war, brach schließlich den Bann, in den er die Mehrheit der Deutschen geschlagen hatte. Dieser Bann war die Voraussetzung der weltgeschichtlichen Rolle gewesen, die Hitler seit 1933 spielte. Kein anderer Mensch hat den Gang der Geschichte im 20. Jahrhundert in einem solchen Maß beeinflußt wie er. Kaum ein großes Ereignis der Zeit nach 1945 steht nicht in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit seiner Herrschaft.
    Hitler ist in die Geschichte eingegangen als
der
große Zerstörer von Traditionen und Werten, die vordem in der westlichen Welt, einschließlich Deutschlands, als selbstverständlich gegolten hatten. Soweit antikoloniale Befreiungsbewegungen durch den von ihm entfesselten Weltkrieg Auftrieb erhielten, war das ein Kollateralnutzen seines Wirkens. Was die Nachwelt von ihm in Erinnerung behielt, waren vor allem die Millionen von Menschen, die durch seine Obsessionen ihr Leben verloren, obenan die Juden, die er mehr als alle anderen haßte. Als sein Reich zusammenbrach, waren die meisten Deutschen wie benommen: Daß ihre frühere Begeisterung für den «Führer» die Verbrechen erst ermöglicht hatte, mit denen sie nun von den Siegern konfrontiert wurden, wollten 1945 nur wenige einsehen.
    Die Reichsregierung, die Hitlers Nachfolger Karl Dönitz am 2. Mai bildete, verlegte ihren Sitz nach Flensburg. Ihr wichtigstes Ziel war es,

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