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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Polen. Die Sowjetunion betrieb dort mit Hilfe der Provisorischen Regierung die Einrichtung eines kommunistischen Satellitenregimes und hinderte Amerikaner und Briten daran, Vertreter in das von der Roten Armee «befreite» Land zu entsenden.
    «Ein undurchsichtiger Vorhang hat sich über die Szene gesenkt», schrieb Churchill am 16. März 1945 an Roosevelt. Elf Tage später wies der britische Premier den amerikanischen Präsidenten darauf hin, «daß die Bestimmungen der Proklamation über das befreite Europa keine Anwendung auf Osteuropa finden und wir beide in diesen Gebieten nicht ein Jota Einfluß haben». Doch die Vereinbarungen von Jalta ließen genau das zu, was Churchill erst jetzt voll bewußt wurde: daß Polen und anderen Staaten in Ost- und Südosteuropa «die russische Version der Demokratie aufgezwungen» wurde.
    In den folgenden Wochen steigerte sich Churchills Besorgnis hinsichtlich Polens. Im April bewog der Premier den früheren, EndeNovember 1944 zurückgetretenen Chef der polnischen Exilregierung, Stanislaw Mikolajczyk, zu einem Bekenntnis zur Freundschaft mit der Sowjetunion, der Anerkennung der modifizierten Curzon-Linie als Ostgrenze Polens und einen ausdrücklichen Verzicht auf Lemberg. Die Zurückdrängung der nichtkommunistischen Kräfte Polens ging gleichwohl unvermindert weiter. Ende März waren 16 führende Vertreter der nichtkommunistischen Untergrundbewegung, die die sowjetische Führung unter Zusicherung freien Geleits zu Gesprächen über die Bildung einer polnischen Einheitsregierung nach Moskau eingeladen hatte, verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Als Churchill am 29. April bei Stalin gegen dieses Vorgehen protestierte, erwiderte dieser, die Beschuldigten hätten hinter dem Rücken der Roten Armee aufrührerische Akte geplant und durchgeführt. In einem Schauprozeß, der am 18. Juni begann, wurden 13 der Angeklagten zu Gefängnisstrafen von vier Monaten bis zu zehn Jahren verurteilt und drei freigesprochen.
    Am 4. Mai 1945 skizzierte der britische Premierminister in einer Aufzeichnung die Lage, auf die sich die Westmächte einstellen mußten. Erfolgte die Zoneneinteilung in Deutschland so, wie die Alliierten sie vereinbart hatten, würde «Polen ganz von russisch besetzten Ländern umschlossen und darin begraben. Wir würden dann praktisch eine russische Grenze bekommen, die vom Nordkap in Skandinavien, längs der schwedisch-finnischen Grenze, über die Ostsee zu einem Punkt knapp östlich von Lübeck, längs der gegenwärtig vereinbarten Zonengrenzen und der bayerisch-tschechischen Grenze nach Österreich, das nominell Vier-Mächte-Gebiet werden würde, und halbwegs durch dieses Land bis zum Isonzo verliefe, werden doch Tito und Rußland das Gebiet östlich dieses Flusses für sich beanspruchen. Demnach würde die russische Kontrolle die baltische Küste, ganz Deutschland bis zur vorgesehenen Zonengrenze, die gesamte Tschechoslowakei, einen großen Teil Österreichs, ganz Jugoslawien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien bis zur Grenze des ungefestigten Griechenland umfassen. Sämtliche großen Hauptstädte Mitteleuropas, Berlin, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia fielen in diese Zone. Die Stellung der Türkei und Konstantinopels werden fraglos sofort zur Debatte kommen.»
    Nach Churchills Überzeugung handelte es sich bei alledem um ein «Ereignis in der Geschichte Europas, für das es keine Parallele gibt und das die Westmächte am Ende ihres langen und wechselvollenRingens unvorbereitet trifft». Schon die sowjetischen Reparationsforderungen an Deutschland würden so hoch sein, «daß Rußland die Besetzung beinahe unbeschränkt hinausziehen kann, auf alle Fälle so lange, bis Polen und viele andere Länder in der riesigen Zone des russisch kontrollierten Europas verschwunden sind und, wenn auch nicht notwendigerweise wirtschaftlich sowjetisiert, so doch jedenfalls unter Polizeiregime leben müssen».
    Die Schlußfolgerungen lagen für den Premierminister klar zutage. «Wir haben einige bedeutende Pfänder in der Hand, die, richtig verwendet, zu einer friedlichen Regelung beitragen können. Erstens, bevor die Westmächte aus ihren gegenwärtigen Stellungen auf die vorgesehenen Zonengrenzen zurückfallen, müssen wir in bezug auf folgende Punkte bindende Zusicherungen haben: Polen, den temporären Charakter der russischen Besetzung Deutschlands, die in den russifizierten oder russisch kontrollierten Ländern des Donaubeckens einzuführende Ordnung mit

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