Geschichte des Westens
würde. Da die Atombombe die Chance bot, das Leben von Hunderttausenden von «GI’s» zu bewahren, mußte sie, wenn Tokio den Kampf nicht einstellte, erstmals über einer japanischen Stadt abgeworfen werden: Darin war sich Truman mit seinen engsten Beratern wie auch mit Churchill einig. Als amerikanische Innenpolitiker, die Truman und Byrnes, auch er ein ehemaliger Senator, im Sommer 1945 in erster Linie immer noch waren, dachten beide stets auch an die heimische Wählerschaft: Sie würde es der eigenen Führung nicht verzeihen, wenn sie einen blutigen und verlustreichen Krieg fortsetzte, obwohl sie über die technischen Möglichkeiten verfügte, ihn rasch zu beenden.
Nachdem Truman genauer über die Ergebnisse des Experiments in der Wüste von New Mexico informiert worden war, teilte er am 24. Juli Stalin am Rande der 8. Vollsitzung der Potsdamer Konferenz beiläufig mit, daß die USA jetzt über ein neues Kampfmittel von ungewöhnlicher Zerstörungskraft verfügten. Der sowjetische Ministerpräsident reagierte gelassen und bemerkte lediglich, er hoffe, daß die Vereinigten Staaten die Bombe mit gutem Nutzen gegen Japan einsetzen würden. Tatsächlich war Stalin längst durch den Bericht eines sowjetischen Spions, des aus Deutschland nach Großbritannien emigriertenKernphysikers Klaus Fuchs, der am «Manhattan-Projekt» beteiligt war, über die Explosion von Alamogordo in Kenntnis gesetzt worden.
Die Entscheidung über den Abwurf einer Atombombe über Japan war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen. Vor einem eventuellen Einsatz der neuen Waffe sollte Japan die Gelegenheit erhalten, den Krieg zu beenden. In einem Ultimatum vom 26. Juli, der «Potsdamer Erklärung», forderten Truman, Churchill und der Präsident der nationalchinesischen Regierung, Marschall Tschiang Kai-schek (der nicht in Potsdam anwesend war), das Kaiserreich auf, bis spätestens 3. August die Waffen zu strecken und so der völligen Vernichtung seiner Streitkräfte und der Verwüstung der japanischen Inseln zu entgehen.
Die Bedingungen der Verbündeten waren «unumstößlich»: Die für den «verantwortungslosen Militarismus» und die aggressive Eroberungspolitik Verantwortlichen waren auszuschalten und die Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen; wie schon in der Proklamation von Kairo vom November 1943 angekündigt, sollten die Territorien und die Souveränität Japans auf die Gebiete beschränkt werden, die es vor dem Beginn seiner Expansionspolitik besessen hatte; bis zur Errichtung einer neuen, demokratischen und friedlichen Ordnung würde Japan in noch näher zu bestimmendem Umfang besetzt werden. Über den Tenno sagte die Potsdamer Erklärung nichts: Weder forderte sie seine Abdankung und Verurteilung oder den Übergang von der Monarchie zur Republik, noch deutete sie die Bereitschaft der Alliierten an, Kaiser Hirohito auf dem Thron zu belassen. Auch fehlte eine direkte Drohung mit dem Einsatz einer Atombombe.
An der Spitze der japanischen Regierung stand seit dem 7. April 1945 der greise Admiral Suzuki Kantaro, der das Vertrauen des Kaisers genoß und auf Drängen friedensbereiter Kräfte ins Amt gelangt war. Auf Betreiben von Außenminister Togo Shigenori nahm der frühere Premierminister Fürst Konoe im Juli in Moskau Gespräche auf, um die neutrale Sowjetunion zu einer Vermittlungsaktion bei den Westmächten zu bewegen. Die sowjetischen Verhandlungspartner reagierten überaus reserviert und hielten die Japaner hin. In Potsdam kamen die Bemühungen Konoes zur Sprache, und sie blieben nicht ohne Wirkung: Daß die Potsdamer Erklärung von Japan, anders als im Fall Deutschland, nur die bedingungslose Kapitulation der Streitkräfte, nicht aber die des Staates forderte und den Japanern für die Zukunft politische Selbstbestimmung, den Zugang zu Rohstoffen und die Teilnahmeam Welthandel in Aussicht stellte, war durchaus als Signal an jene Kräfte in Tokio zu sehen, die einen raschen Friedensschluß erstrebten.
Die japanische Führung aber war zutiefst gespalten: Die gemäßigten Kräfte um Außenminister Togo sahen in der Potsdamer Erklärung positive Ansatzpunkte, hielten aber eine Klärung der Frage für notwendig, wie die Alliierten zur künftigen Stellung von Kaiser Hirohito standen. Die radikalen Militaristen um Armeeminister Anami und General Umezu, den Stabschef der Armee, betrachteten die Annahme des Ultimatums als unvereinbar mit der Ehre Japans. Am Ende ausführlicher Erörterungen im Obersten Kriegsrat empfahl Togo
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