Geschichte des Westens
Vertretern der Sowjetunion, Chinas, Großbritanniens, Australiens, Neuseelands, Kanadas und Frankreichs an Bord des Kriegsschiffs «Missouri», das in der Bucht von Tokio ankerte, entgegen. Auf japanischer Seite unterzeichneten der neue Außenminister Shigemitsu Mamoru und der Generalstabschef des Heeres, General Umezu Yoshijiro, die Urkunde. Damit war der Zweite Weltkrieg auch in Asien zu Ende.
Als der amerikanische Präsident vom Bombenabwurf auf Hiroshima erfuhr, befand er sich auf hoher See – auf der Heimreise von der Potsdamer Konferenz in die Vereinigten Staaten. Er reagierte mit großer Erleichterung, ja Freude auf die Nachricht aus dem Fernen Osten. Die Entscheidung, Atombomben über Japan abzuwerfen, hatte Truman ohne moralische Skrupel getroffen: Aus seiner Sicht war die neue Waffe ein legitimes, ja notwendiges Mittel, um einen furchtbaren Krieg zum frühestmöglichen Zeitpunkt und mit der geringstmöglichen Zahl amerikanischer Opfer zu beenden. Daß durch die Bombenabwürfe eine nicht abzuschätzende Zahl von japanischen Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, getötet werden würde, nahm man in Washington billigend in Kauf. Bei konventionellen Bombenangriffen waren bereits Hunderttausende von Menschen ums Leben gekommen, allein in Tokio am 9./10. März 1945 85.000. Die Gewöhnung an die massenhafte Tötung von Zivilisten durch Bomben hatte auch in den west lichen Demokratien die moralischen Hemmschwellen der Verantwortlichen fortschreitend abgesenkt. Die Atombombe erlaubte eine gewaltige Steigerung der Vernichtungskapazität, und das machte sie strategisch wertvoll. Die Langzeitfolgen radioaktiver Verstrahlung bewegten die Akteure kaum.
Anhaltspunkte dafür, daß Truman und seine engsten Berater sich bei der Entscheidung über den Abwurf von Atombomben über Japan von den verbreiteten rassischen Vorurteilen gegenüber den «Japs» leiten ließen, gibt es nicht. Vermutlich wäre die neue Massenvernichtungswaffe auch im Krieg gegen Deutschland eingesetzt worden, wenn sie früher zur Verfügung gestanden hätte. Es spricht auch nichts für die Annahme, daß der Präsident von der Überlegung beeinflußt war,man müsse zumindest
einmal
praktischen Gebrauch von der Atombombe machen, um der Welt ein für alle Mal zu zeigen, daß Krieg fortan kein Mittel der Politik mehr sein konnte. Vertreten wurde dieser Gedanke von zwei maßgebenden naturwissenschaftlichen Beratern der Regierung, den Präsidenten des Massachusetts Institute of Technology und der Harvard-Universität, Karl T. Compton und James B. Conant. Würde die Waffe im gegenwärtigen Krieg nicht benutzt, schrieb Compton am 11. Juni 1945 an Kriegsminister Stimson, «so würde der Welt keine angemessene Warnung zuteil im Hinblick auf das, was zu erwarten wäre, wenn erneut ein Krieg ausbrechen sollte» (the world would have no adequate warning as to what was to be expected if war should break out again). Das war eine weit in die Zukunft reichende Erwägung – und vielleicht gerade deswegen jenseits des Horizonts derer, die im Sommer 1945 über den Einsatz von Atombomben zu entscheiden hatten.
Die schärfste wissenschaftliche Kritik am Abwurf der ersten Atombomben hat seit 1965 der Historiker Gar Alperovitz, der Wortführer einer «revisionistischen» Richtung innerhalb der amerikanischen Geschichtswissenschaft, geübt. Seine zentrale These lautet, daß Japan im Sommer 1945 unmittelbar vor dem militärischen Zusammenbruch gestanden habe, weshalb ein Einsatz von Atomwaffen zwecks Verkürzung des Krieges gar nicht erforderlich gewesen wäre. Truman und seinen Beratern sei es denn auch in Wirklichkeit um ein ganz anderes Ziel gegangen: die Einschüchterung der Sowjetunion. Von einer Demonstration nuklearer Stärke in Fernost habe sich die amerikanische Führung positive Auswirkungen auf die sowjetische Politik in Europa versprochen, und schon auf der Potsdamer Konferenz sei Truman, nachdem er über das Experiment von Alamogordo Näheres erfahren habe, Stalin gegenüber sehr viel härter als zuvor aufgetreten.
Tatsächlich hatte sich die Einsicht in die Unvermeidbarkeit der Kapitulation in der japanischen Führung vor dem 6. August 1945 noch keineswegs durchgesetzt. Der Krieg hätte ohne den Abwurf von Atombomben noch sehr viel länger gedauert: In dieser Einschätzung hatten Truman und seine engsten Mitarbeiter recht. Mit Blick auf die Sowjetunion kam Außenminister Byrnes seit dem 21. Juli – dem Tag, an dem Truman und er ausführlich über die
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