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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben». Dulles und den Amerikanern ging es dabei nicht um eine moralische Verurteilung Deutschlands, sondern um einen verbindlichen Rechtstitel für den Anspruch der Verbündeten auf Reparationen. Die Begriffe «Kriegsschuld» oder «Alleinschuld» tauchten in dem Artikel nicht auf. Aber genau so wurde er in Deutschland interpretiert. Diese Deutung lag um so näher, als die These von dem von Deutschland und seinen Verbündeten geführten Angriffskrieg auch der Forderung zugrunde lag, Deutschland müsse seine Kriegsverbrecher und die für den Kriegsausbruch verantwortlichen Staatsmänner an die Verbündeten ausliefern.
    Die «Friedensbedingungen der alliierten und assoziierten Regierungen» wurden der deutschen Friedensdelegation am 7. Mai 1919 in Versailles überreicht. Der parteilose Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau hielt es für angebracht, auf eine kurze von Clemenceau als Präsident der Friedenskonferenz stehend gehaltene Eröffnungsrede mit einer bewußt arroganten Erwiderung zu antworten, die er, demonstrativ sitzen bleibend, vortrug. Er wies darin vor allem die Behauptung von der deutschen Alleinschuld am Krieg zurück und klagte seinerseits die Sieger an, Hunderttausende von Nichtkämpfern noch nach demWaffenstillstand vom 11. November durch die Blockade kaltblütig ermordet zu haben. Die Wirkung war verheerend: Wilson empfand den Auftritt auch als persönlichen Affront und sah sich in seiner negativen Einschätzung der preußischen Junker voll bestätigt.
    Die Deutschen, die immer noch auf einen «Wilson-Frieden», einen Frieden auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker, gehofft hatten, reagierten auf die Bekanntgabe der Friedensbedingungen mit einem Aufschrei der nationalen Empörung. Im Lager der regierenden Parteien der «Weimarer Koalition» aus Mehrheitssozialdemokraten, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei überwog zunächst die Neigung, die Friedensbedingungen für unannehmbar zu erklären. In einer Kundgebung, die die Nationalversammlung am 12. Mai in der Aula der Berliner Universität abhielt, stellte Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann die rhetorische Frage: «Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in diese Fesseln legt?» Der preußische Ministerpräsident Paul Hirsch, wie Scheidemann ein Mehrheitssozialdemokrat, gab die Parole aus: «Lieber tot als Sklav’!» Der Präsident der Nationalversammlung, der Zentrumsabgeordnete Konstantin Fehrenbach, nannte den Friedensvertrag die «Verewigung des Krieges» und drohte den Siegern unüberhörbar mit einem zweiten Weltkrieg: «Auch in Zukunft werden deutsche Frauen Kinder gebären und diese Kinder werden die Sklavenketten zerbrechen und die Schmach abwaschen, die unserem deutschen Antlitz zugefügt werden soll.»
    Doch nur eine der drei Regierungsparteien war mehr oder minder geschlossen für eine Ablehnung des Friedensvertrages: die DDP. SPD und Zentrum waren in sich gespalten. Die «Realpolitiker», unter ihnen die Reichsminister Matthias Erzberger vom Zentrum und Gustav Noske und Eduard David von der SPD, waren sich bewußt, daß die Alliierten im Fall eines deutschen Nein Deutschland besetzen würden, ohne daß das besiegte Land sie mit seinen schwachen militärischen Kräften daran hindern konnte – eine Einschätzung, die der noch immer amtierende Erste Generalquartiermeister Wilhelm Groener teilte. Gewisse Zugeständnisse aber konnten die deutschen Unterhändler, nachdem sie am 29. Mai in Versailles ihre «Bemerkungen» zum Friedensvertrag vorgelegt hatten, doch noch erreichen: Am 16. Juni erklärten sich die Siegermächte auf Betreiben von Lloyd George mit einer Volksabstimmung in Oberschlesien einverstanden,die über die Zugehörigkeit zu Deutschland oder Polen entscheiden sollte. Für das Rheinland sahen die Verbündeten bei deutschem Wohlverhalten ein vorzeitiges Ende der Besetzung vor. Die deutsche Darstellung zur Kriegsschuldfrage aber wiesen die Siegermächte ebenso scharf wie ausführlich zurück.
    Unter dem Eindruck dieser Konzessionen und entsprechender Argumente Erzbergers bildete sich in den Tagen darauf in der Nationalversammlung eine Mehrheit heraus, die bereit war, der Unterzeichnung des Vertrags von Versailles unter dem doppelten Vorbehalt zuzustimmen, daß der Kriegsschuldartikel und die Verpflichtung zur Auslieferung von Kriegsverbrechern nicht bindend sein dürften. Scheidemann

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