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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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vorherige Volksabstimmung an Frankreich zurückgegeben. Das Saargebiet wurde nicht an Frankreich abgetreten, sondern für die Dauer von 15 Jahren einem Völkerbundsregime unterstellt; danach sollte die Bevölkerung ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können. Auch im Hinblick auf das Rheinland mußte Frankreich zurückstecken. Das linksrheinische Gebiet wurde nicht von Deutschland abgetrennt. Vielmehr sahen die Friedensbedingungen eine in Zonen gestaffelte, auf 5, 10 und 15 Jahre befristete alliierte Besetzung nebst einigen rechtsrheinischen Brückenköpfen und eine dauerhafte «Entmilitarisierung» des linksrheinischen Deutschland vor. Belgien erhielt als Teilentschädigung des ihm von Deutschland angetanen politischen und materiellen Unrechts den Kreis Eupen-Malmedy mit seiner überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung. Diehierzu veranstaltete «Abstimmung» mit öffentlich ausliegenden Listen, in die sich eintragen konnte, wer sich für den Verbleib bei Deutschland aussprechen wollte, war kein geeignetes Mittel, den Willen der Bevölkerung festzustellen, und erbrachte das gewünschte Ergebnis.
    Für die Deutschen ungleich schmerzhafter waren die Gebietsverluste im Osten. Daß das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Posen an Polen fallen würde, war allgemein erwartet worden. Aber darüber hinaus sollte Polen ganz Oberschlesien und, wegen des von Wilson in den Vierzehn Punkten versprochenen sicheren und freien Zugangs zur Ostsee, den Hauptteil Westpreußens mit einem westlich von Danzig gelegenen Hafen erhalten, wodurch Ostpreußen vom übrigen Reich abgeschnitten wurde. Danzig wurde zur Freien Stadt unter einem Kommissar des Völkerbundes erklärt; das an Litauen grenzende Memelgebiet fiel unter die Verwaltung der Entente.
    In zwei Gebieten, im ostpreußischen Masuren und im östlich der Weichsel gelegenen Teil von Westpreußen um Marienburg und Marienwerder, sollte die Bevölkerung entscheiden, ob sie bei Deutschland bleiben oder sich Polen anschließen wollte. Eine Abstimmung war auch für das überwiegend dänischsprachige Nordschleswig vorgesehen. Sie fand im Februar und März 1920 statt und führte zu einer Teilung Nordschleswigs zwischen Dänemark und Deutschland entsprechend den sprachlichen Mehrheitsverhältnissen; in Masuren und im Gebiet um Marienburg und Marienwerder entschied sich die Bevölkerung im Juli 1920 nahezu einhellig für Deutschland.
    Einer Kompensation der Gebietsverluste in Gestalt des Zusammenschlusses von Deutschland und Österreich schob der Friedensvertrag auf Verlangen Frankreichs einen Riegel vor: Deutschland mußte in Artikel 80 des Vertrags von Versailles die Unabhängigkeit Österreichs anerkennen; eine Änderung war nur mit Zustimmung des Völkerbundsrates möglich. Durch den Friedensvertrag büßte Deutschland ein Siebtel seines Gebietes und ein Zehntel seiner Bevölkerung ein; es verlor zudem seine Kolonien. Wirtschaftlich bedeutete die Verkleinerung des deutschen Territoriums, wenn man die Teilung Oberschlesiens im Jahr 1921 mitberücksichtigt, eine Minderung der Kohlevorkommen um ein Drittel und der Erzvorkommen um drei Viertel. Über eine abschließende Reparationssumme hatten sich die Siegermächte nicht verständigen können. Fürs erste mußte Deutschland seine Fernkabel und neun Zehntel seines Rinderbestandes ausliefern sowie zehn Jahre langjährlich rund 40 Millionen Tonnen Kohle an Frankreich, Belgien, Luxemburg und Italien liefern.
    Einschneidend waren die militärischen Bedingungen, die die Alliierten Deutschland auferlegten. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, das Heer auf 100.000 Mann und die Marine auf 15.000 längerdienende Berufssoldaten beschränkt. Eine Luftwaffe und Unterseeboote durfte Deutschland künftig ebensowenig unterhalten wie Panzer und Gaswaffen. Der Generalstab wurde aufgelöst. Die Hochseeflotte war bis auf geringe Reste auszuliefern – eine Bestimmung, der die Marine durch die Selbstversenkung der Flotte bei Scapa Flow am 21. Juni zuvorkam.
    Kein Artikel des Friedensvertrages stieß auf so leidenschaftliche Abwehr wie der von einem juristischen Berater der amerikanischen Delegation, John Foster Dulles, dem Außenminister der Jahre 1953 bis 1959, entworfene Artikel 231. In diesem Artikel mußte Deutschland anerkennen, daß es zusammen mit seinen Verbündeten als «Urheber» des Krieges für alle Verluste und Schäden verantwortlich war, welche die alliierten und assoziierten Mächte und ihre Angehörigen «infolge des ihnen

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