Geschichte Hessens
des Mains und waren damit Inhaber lukrativer Geldquellen, die nun die landgräflichen Kassen füllten. Es war nicht zuletzt diese finanzielle Basis, die der kurzzeitigen politischen Führungsrolle Hessens im Kreis der evangelischen Mächte des Heiligen Römischen Reiches während des Zeitalters der Reformation Vorschub leistete.
III. Reformation, Absolutismus, Aufklärung
1. Aufstieg und Niedergang im 16. Jahrhundert
Philipp der Großmütige und die Reformation
. Die beherrschende Gestalt Hessens im Reformationszeitalter war Landgraf Philipp der Großmütige (1504–1567). Unter ihm öffnete sich das Land als eines der ersten der Lehre Martin Luthers und gehörte für zwei Jahrzehnte, neben dem sächsisch-thüringischen Nachbarn, zu den Vorreitern der Reformation im mitteldeutschen Raum. 1518 als Dreizehnjähriger für mündig erklärt, schlug Philipp zunächst die Revolte der Ritterschaft um Franz von Sickingen (1481–1523) nieder (1522/23), unterdrückte danach die auf Hessen übergreifenden Unruhen des Bauernkriegs (1524/25) und näherte sich zugleich in einer ganz persönlichen Gewissensentscheidung dem Anliegen Martin Luthers, von dessen theologischer Wahrheit er zutiefst überzeugt war. 1526 setzte Philipp auf der
Homberger Synode
im Konsens mit den Landständen und mit Vertretern der Geistlichkeit einzelne evangelische Postulate um und leitete damit die Einführung der Reformation in Hessen ein. Die Auflösung des Vermögens der religiösen Stiftungen und der Klöster verschaffte ihm erhebliche zusätzliche Finanzmittel, die nicht nur für die Gründung der ersten Universität des Landes in Marburg, sondern auch zur Errichtung neuer Schulen, Hospitäler und wohltätiger Stiftungen verwendet wurden.
1529 trafen sich auf Einladung Philipps die führenden evangelischen Theologen, unter ihnen Luther, Melanchthon und Zwingli, in Marburg, um über eine gemeinsame reformatorische Bekenntnisformel zu beraten. Die angestrebte konfessionelle Einigung sollte als Grundlage für ein politisches Bündnis der Reformatoren gegen die Bedrohung durch Kaiser und Papst dienen. Doch dazu kam es nicht, da Luther und Zwingli in der für sie zentralen Frage nach dem Verständnis des Abendmahlskeinen Kompromiß fanden. Nach dem Scheitern des
Marburger Religionsgespräches
betrieb Philipp den planmäßigen Aufbau einer neuen kirchlichen Ordnung, die in ihrer Ausrichtung eine Mittlerstellung zwischen Luther und seinen Kontrahenten im evangelischen Lager einnahm. 1538 berief er den Reformator Martin Bucer (1491–1551), der Hessen eine neue Kirchenordnung geben sollte. In ihr war die Gemeinde durch Kirchenälteste mit weitgehenden Rechten auch gegenüber den Pfarrern und mit Synoden und Generalsynoden für das ganze Land vertreten. Auch die Konfirmation wurde eingeführt – auf ausdrücklichen Wunsch des Landgrafen, der damit einem Anliegen der Täufer entgegenkommen wollte. Philipp bestimmte hinfort das Bekenntnis seiner Untertanen. Doch achtete er die Gewissensentscheidung des einzelnen, den er nicht durch Zwang, sondern durch Nachsicht und Belehrung zum evangelischen Glauben führen wollte. In der Landgrafschaft gewann die lutherische Lehre ebenso rasch an Boden wie in den benachbarten hessischen Territorien. Bis 1543 schlossen sich verschiedene nassauische Linien (Nassau-Weilburg, Nassau-Dillenburg, Nassau-Wiesbaden) dem evangelischen Glauben an, 1529 folgte Waldeck, ab 1525 Frankfurt am Main, 1544 die Freie Reichsstadt Wetzlar.
Kampf und Niederlage
. Politisch trat Hessen, gemeinsam mit Kursachsen, an die Spitze der kirchlichen Reformbewegung. Philipp wurde treibende Kraft des von evangelischen Fürsten zum Schutz des neuen Glaubens 1531 geschlossenen
Defensivbündnisses von Schmalkalden
. Dann jedoch sank sein Stern ins Bodenlose. Nach der militärischen Niederlage der evangelischen Fürsten im Kampf gegen den auf Rekatholisierung drängenden Kaiser Karl V. 1546/47 geriet Philipp, wie auch sein engster Bundesgenosse, Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen (1503–1554), in langjährige Gefangenschaft, aus der er erst 1552 auf Initiative seines Schwiegersohns, des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1521–1553), wieder freikam. Schon zuvor war er durch eine 1540 geschlossene Nebenehe mit einer seiner Hofdamen als Bigamist ins Gerede gekommen. Widerwillig hatten die Reformatoren damals zu dieser Doppelehe ihre Zustimmungerteilt, was indes nicht verhindern konnte, daß Philipp reichsgesetzlicher
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