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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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Strafverfolgung ausgesetzt war. Seine wohl verhängnisvollste Entscheidung jedoch war die testamentarisch verfügte Aufteilung der Landgrafschaft unter seinen vier Söhnen. Damit war Hessens eigenständige Rolle in der Reichspolitik faktisch beendet – für immer.
2. Teilung und Landesausbau
    Der frühmoderne Fürstenstaat
. Nach der Erbteilung von 1567/68 zerfiel die Landgrafschaft zunächst in vier Teilherrschaften mit den Residenzen Kassel, Darmstadt, Marburg (bis 1604) und Rheinfels (bis 1583). Längerfristig blieben davon Hessen-Kassel (bis 1866) und Hessen-Darmstadt (bis 1918) als selbständige Fürstenstaaten bestehen. Im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges konfessionell entzweit – Hessen-Kassel war seit 1605 calvinistisch, Hessen-Darmstadt blieb lutherisch –, lebten sich die beiden hessischen Hauptlinien zunehmend auseinander und bekämpften sich nach 1618 erbittert.
    Der innere Ausbau der noch ungeteilten Landgrafschaft zum modernen fürstlichen Territorialstaat war freilich bereits im späten 15. und im 16. Jahrhundert grundgelegt worden. Zu den diesbezüglich eingeleiteten Maßnahmen zählten die Bündelung der Landesverwaltung durch Ämter, Hofbeamte und eine landesfürstliche Kanzlei, der Erlaß von Rechts- und Polizeiordnungen, die Vereinheitlichung der Wirtschafts- und Finanzverwaltung, die Zentralisierung des Steuer- und Rechnungswesens mittels Erstellung eines Staatsetats (Budget) sowie die Stärkung der Staatsaufsicht in den Städten der Landgrafschaft. Mit alledem geriet der frühmoderne Fürstenstaat auch in Hessen in ein latentes Spannungsverhältnis zu den Ständen des Landes, die auf ihren periodisch einberufenen Landtagen gegenüber der landgräflichen Regierung weiterhin ihr angestammtes Mitbestimmungsrecht beim Erlaß von Gesetzen und bei der Erhebung neuer Steuern einforderten und den Ausbau der landesfürstlichen Herrschaft noch lange torpedierten. Andererseits bildeten sie seit der Landesteilung von 1567/68 die stärkste Klammerfür die Artikulation eines auch weiterhin vorhandenen einheitlichen Landesbewußtseins. Bis 1637 gab es gemeinsame Versammlungen der Ständevertreter beider hessischer Territorien, und auch nach 1648 bestanden die Repräsentanten der Ritterschaft noch lange auf ungeteilten Landtagen für ganz Hessen.
     
    Humanistische Kulturblüte
. Das Konsolidierungswerk des frühmodernen Fürstenstaates im 16. und 17. Jahrhundert zeichnete sich in Hessen durch ein bemerkenswert intensives Engagement für die Belange von Kultur, Bildung und Wissenschaft aus. Schon Landgraf Philipp der Großmütige hatte in den 1530er Jahren hohe Summen in die Reorganisation städtischer Gymnasien und Lateinschulen seines Territoriums investiert. Darüber hinaus hatte er der 1527 begründeten Landesuniversität Marburg – der ersten evangelischen Alma mater überhaupt – besondere Unterstützung zukommen lassen, was unter anderem mittels eines von Philipp Melanchthon konzipierten Stipendienprogramms zur Förderung des akademischen Nachwuchses geschah. Die neue hessische Landesuniversität entwickelte sich rasch zu einem Zentrum humanistischer Gelehrsamkeit – orientiert am Gedanken der Wiederbelebung der klassischen Sprachen und der Rückbesinnung auf die antike Lebenswelt –, wie denn überhaupt der deutsche und europäische Humanismus aus Hessen maßgebliche Anregungen erhalten hat. Nicht wenige hessische Bauernsöhne erlangten innerhalb wie außerhalb ihrer Heimat in diesem Zusammenhang Rang und Namen. Eobanus Hessus (1488–1540) aus Halgenhausen bei Frankenberg galt als «hessischer Hyperion». Er führte die Eklogen- und Hirtendichtung in die deutsche Literatur ein, avancierte zum bedeutendsten neulateinischen Lyriker seiner Zeit und wirkte in seinen späten Jahren als Professor für Poesie in Marburg. Euricius Cordus (1486–1535) aus Simshausen bei Wetter verschaffte der neulateinischen Epigrammdichtung Weltruhm, dessen Einfluß bis auf Lessing nachwirkte. Auch er amtierte später als Professor in Marburg. Mutianus Rufus (1471–1526) aus Homberg an der Ohm war einer der engsten Freunde des Erasmus von Rotterdam und strebte wie dieser danach, christliche Moral mit antikerBildung und moderner Wissenschaft zu verbinden. Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts führten die Ausläufer der humanistischen Bewegung dann vor allem in Hessen-Kassel zu einer außergewöhnlichen kulturellen und wissenschaftlichen Blüte, die dem Land, gemessen an seiner Größe, eine

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