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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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Schwedenkönig paktierte. Das Hauptwerk des 1622 im hessischen Gelnhausen geborenen Barockautors Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, «Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch» (1668/69), gibt die mit den Kriegsereignissen verbundenen Schrecken und Greuel in realistischer Detailschilderung retrospektiv wieder. Allein 1637, im für Hessen wohl schlimmsten Kriegsjahr, wurden in der Kasseler Landgrafschaft 18 Städte, 47 Adelssitze und über 300 Dörfer zerstört. «Sie haben», so berichteten die hessischen Landstände von der Verwüstung Niederhessens durch kaiserlich-katholische Truppen im Schreckensjahr 1637, «fast Alles, so unter ihre Hand und Gewalt gekommen, niedergehauen; den Leuten die Zunge abgeschnitten, die Augen ausgestochen, Nägel in die Köpfe und Füße geschlagen; heiß Pech, Zinn, Öl und allerhand Unflat durch die Ohren, Nasen und Mund in den Leib gegossen, etliche durch allerhand Instrumente schmerzhaft gemartert; viele mit Stricken aneinander gekoppelt, ins offene freie Feld aneinander gestellt und theils mit Buchsen auf sie geschossen, theils mit Pferden geschleift, … wie wilde Tiere zwischen die Kinder gefallen, sie gesäbelt, gespießt und in den Backofen gebraten» (Demandt 1972, S. 257). In beiden hessischen Staaten waren die Verwüstungen des Krieges enorm, viele Ortschaften benötigten nach dem Friedensschluß von 1648 Jahrzehnte, wenn nicht gar ein ganzes Jahrhundert, um sich von den angerichteten Zerstörungen zu erholen.
     
    Landgraf Carl von Hessen-Kassel
. In den anderthalb Jahrhunderten zwischen dem Westfälischen Frieden und den Verwerfungen des Napoleonischen Zeitalters verfügte insbesondere dieLandgrafschaft Hessen-Kassel über eine stattliche Anzahl fähiger Regenten, deren Erscheinungsbild durchaus repräsentativ für die vom Hochabsolutismus geprägte Fürstengeneration der deutschen Mittelstaaten gewesen ist. Der bedeutendste unter ihnen war Landgraf Carl (1654–1730), eine Herrscherpersönlichkeit von europäischem Format. Während seiner sechzigjährigen Regierungszeit (seit 1670) verschaffte er seinem Land eine durch lebhafte Mäzenatentätigkeit forcierte Kulturblüte. Unter ihm begann der Ausbau Kassels zu einem Ort höfisch-barocker Repräsentation – wie denn das Barockzeitalter auch in anderen hessischen Residenzstädten vielbeachtete Bauschöpfungen hervorgebracht hat, etwa in Fulda oder Arolsen, in Weilburg oder Biebrich, in Idstein oder Hadamar. Kassel jedoch stellte alle diese Zeugnisse herrschaftlichen Machtbewußtseins weit in den Schatten. Schloß und Park
Wilhelmshöhe
wurden als eine Art Gesamtkunstwerk konzipiert, welches Architektur und Landschaft harmonisch miteinander zu verbinden strebte (fertiggestellt 1798). 1709 etablierte Landgraf Carl das
Collegium illustre Carolinum
als geistiges Zentrum seiner Residenz. Mit einigem Recht kann das
Carolinum,
dem eine Kunstakademie und naturwissenschaftliche Institute angeschlossen waren, als die erste Technische Hochschule Deutschlands gelten. Ganz im Geist der sich formierenden Aufklärung wurden hier (bis 1786) praxisorientierte Fächer gelehrt – Mathematik, Biologie und Anatomie ebenso wie Geschichte und Länderkunde.
    Auch in der Politik der großen Mächte vermochte Hessen-Kassel infolge des geschickten landgräflichen Agierens eine international beachtete Rolle zu spielen. Carls ältester Sohn, Erbprinz Friedrich, wurde 1721 zum König von Schweden gewählt und regierte in Stockholm bis 1751. Carl selbst war maßgeblich an der diplomatischen Vorbereitung der oranischen Invasion nach England beteiligt, die dem bisherigen Generalstatthalter der Niederlande, Wilhelm III. von Nassau-Oranien, zum englischen Königsthron verhalf. Auch die Bemühungen der Mächtekoalition um Einhegung der expansionistischen Hegemonial- und Weltherrschaftsambitionen des französischen Königs Ludwig XIV. fanden Carls Unterstützung. Hierbei spielte übrigens,wie auch schon beim England-Unternehmen der Oranier, der seit 1645 als regierender Graf im nordhessischen Waldeck amtierende spätere Reichsfeldmarschall Georg Friedrich von Waldeck (1620–1692) eine herausragende Rolle. Im Spanischen Erbfolgekrieg schließlich fochten fünf Söhne Landgraf Carls gegen Frankreich, drei von ihnen fielen dabei im Kampf.
    Der Landgraf verdankte die sich mit alledem manifestierende europäische Stellung nahezu ausschließlich der Rolle seines Staates als Militärmacht. Im Rahmen einer großangelegten Reformpolitik hatte er, noch

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