Geschichte Hessens
vor Brandenburg-Preußen, ein Stehendes Heer geschaffen, das über eine konstante Truppenstärke von immerhin 12.000 Mann verfügte und ihn befähigte, jederzeit gut ausgebildete und kampfbereite Regimenter in beträchtlicher Anzahl verfügbar zu halten. Dies machte Hessen-Kassel nicht nur zu einem umworbenen Bündnispartner, sondern erwies sich auch als einträgliches Geschäft für die landgräfliche Finanzkasse. Denn die hessischen Regimenter wurden gegen Zahlung von Subsidiengeldern vornehmlich an England «vermietet». Sie kämpften auf den verschiedensten Schlachtfeldern in Europa, wobei Carl persönlich mit seinen Soldaten ins Feld zog und mit ihnen die Strapazen des Krieges teilte. Die nicht unumstrittene Praxis der Truppenvermietung ließ den Kasseler Landgrafen zu einem der reichsten Fürsten Deutschlands werden und gedieh auch unter Carls landgräflichen Nachfolgern. Die Truppen kamen in Amerika zum Einsatz, wo sie auf britischer Seite gegen die abtrünnigen Siedler und Kolonisten kämpften.
Asyl für Glaubensflüchtlinge
. Das auf diese Weise vom Landesherrn eingenommene Geld diente keineswegs, wie häufig behauptet wird, nur der luxuriösen Gestaltung fürstlicher Lebensführung. Es wurde zum überwiegenden Teil zur Sanierung der Staatsfinanzen und zum strukturellen Aufbau des Landes eingesetzt. Landgraf Carl veranlaßte nicht nur wirtschaftliche Investitionen, sondern traf auch Maßnahmen im sozialen Bereich, wie denn überhaupt alle von ihm verfügten Unternehmungen in typisch frühaufklärerischer Zielsetzung das Wohl und Gedeihen seiner Untertanen befördern sollten. Diesem Ziel diente auchCarls aufsehenerregendes Eintreten für die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten, denen er Zuflucht und Entfaltungsmöglichkeit in seinem Land gewährte. Das Angebot der «Freiheitskonzession» von 1685 richtete sich besonders an Kaufleute und Handwerker mit spezifischen, im hessischen Raum so nicht anzutreffenden Kenntnissen und Fertigkeiten. Von der Niederlassung derart ausgewiesener Spezialisten erhoffte sich der Landgraf, nicht zu Unrecht, die Belebung der wirtschaftlichen Infrastruktur seines Territoriums. Eingebunden in eine gemäß merkantilistischer Theorie planmäßig betriebene Förderung des Gewerbe- und Manufakturwesens, wurden den Ankömmlingen aus Frankreich (insgesamt etwa 5000 Personen) Sonderrechte und steuerliche Privilegien gewährt. Die Hugenotten erhielten nicht nur einen eigens gebauten Stadtteil in Kassel zugewiesen, die «Oberneustadt» Große Summen aus den privaten Vermögensbeständen des landgräflichen Hauses, aber auch erhebliche Mittel des Staatshaushalts von Hessen-Kassel wurden darüber hinaus in Gründung und Aufbau von Siedlungen für die Neuankömmlinge investiert. Denn es war eine Besonderheit der Aufnahme der Hugenotten in Hessen, daß sie hier, anders als in Brandenburg-Preußen, in ausgesprochen ländliche Gegenden eingewiesen wurden. Auf diese Weise entstanden über 20 neue Ortschaften, von denen Bad Karlshafen (seit 1699) die bedeutendste war. Hessen-Kassel wurde so, nach dem benachbarten Brandenburg-Preußen, und weit vor allen anderen hessischen Territorien, die den Hugenotten gleichfalls Asyl gewährten, das Land mit der zweitstärksten Aufnahmekapazität für französische Glaubensflüchtlinge im Heiligen Römischen Reich.
Aufgeklärter Absolutismus in Kassel
. Den Kulminationspunkt absolutistischer Herrschaft in Hessen-Kassel markierte die 1760 beginnende Regierungszeit Landgraf Friedrichs II. (1720–1785), des letzten bedeutenden Vertreters seines Hauses. Unter ihm wurde Kassel ein Zentrum der Aufklärung in Deutschland. Wie sein berühmter preußischer Namensvetter verstand auch er sich als aufgeklärter Landesfürst und erblickte im Wirken für Land und Volk die wichtigste Herrscherpflicht. Der Hohenzollernstaatdiente dabei als Vorbild und Muster. Überhaupt waren die Beziehungen Hessens zu Preußen im 18. Jahrhundert ausgesprochen freundschaftlich. In den beiden Schlesischen Kriegen (1740–1742 und 1744/45) stand Hessen-Kassel auf preußischer Seite, im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) blieb die Landgrafschaft neben dem Kurfürstentum Hannover und dem Herzogtum Braunschweig Preußens einziger deutscher Alliierter im Kampf gegen die übermächtige Koalition. Zunächst fochten 12.000, später fast 20.000 Soldaten aus Hessen-Kassel auf preußischer Seite, vor allem gegen Frankreich. Landgraf Friedrich II. mußte in seiner Funktion als preußischer
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