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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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geläufigen Ausdrucksformen schuf. Die oftmals gewaltbereiten Protestierer beschränkten sich mit ihren Aktionen keineswegs auf den Bereich der Hochschulen. Auch der demokratische Staat mit seinen Institutionen wurde zum Ziel von Übergriffen radikalisierter Studenten und ihrer jugendlichen Anhängerschaft. Bestätigt sahen sich die Studenten in ihren Protesten durch namhafte, am Frankfurter
Institut für Sozialforschung
lehrende Wissenschaftler wie Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, die zunehmend marxistische Positionen bezogen und mit ihrer Sichtweise große öffentliche Resonanz sowohl in den Medien (
Hessischer Rundfunk, Frankfurter Hefte, Suhrkamp Verlag
) als auch in zahlreichen, um eine Neufundierung ihrer Erkenntnisinhalte bemühten Geisteswissenschaften fanden. Das kapitalistische System wurde als eine einseitig auf Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen gerichtete gesellschaftliche Mißbildung kritisiert. An seine Stelle sollte eine wahrhaft humane Gesellschaft treten, ohne Herrschaft und Repression, selbstverantwortlich und befreit von allen vermeintlich autoritären Strukturen. Die «Kritische Theorie» der «Frankfurter Schule» lieferte mit alledem Stichworte für die von Teilen der Studentenbewegung geforderte revolutionäre Beseitigung der parlamentarischen Verfassungsordnung.
    Im Gefolge dieser studentischen Protestbewegung ideologisierte sich auch die Diskussion über die Bildungspolitik der Hessischen Landesregierung, welche zunehmend utopische Ziele einzufordern begann. Kultusminister Ludwig von Friedeburg, ein Schüler Adornos, versuchte während seiner Amtszeit (1969–1974), den Vorstellungen der «Achtundsechziger» in der hessischen Schulentwicklungs- und Unterrichtsplanung konkrete Gestalt zu verleihen. Reformorientierte Leitbegriffe wie antiautoritäre Erziehung, Emanzipation, Mündigkeit, Aufklärung oder Chancengleichheit sollten in den Schulalltag übertragen werden, was zuweilen auch gelang, jedoch stets mit heftigen Auseinandersetzungen verbunden war. Das Konzept der «Integrierten Gesamtschule» sowie die «Rahmenrichtlinien für Deutsch und Gesellschaftslehre» wurden zu umstrittenen Programmpunkten in einer zunehmend gereizten Diskussion, die Anfang der 1970er Jahre bundesweite Beachtung fand und in großen Teilen der Elternschaft zu heftigen Protesten führte. Dort empfand man die zumeist von Vertretern der politischen Linken gewünschte Intensivierung des staatlichen Erziehungsauftrags als unangemessen. Ähnliches galt für die ab Ende der 1960er Jahre unter dem Motto «Hochschulreform» eingeleitete Neufassung der internen Strukturen der hessischen Universitäten. Die Fakultäten wurden in Fachbereiche umgewandelt, Studierende und Bedienstete erhielten mehr Mitbestimmungsrechte. Die bis dahin dominierende Stellung der Lehrstuhlinhaber wich einer Gleichberechtigung aller an der Universität Tätigen – also Professoren, Mitarbeiter und Studenten – bei Entscheidungen, welche die Hochschulen selbst betrafen.
     
    Aufstieg der Christdemokraten.
Es war nicht zuletzt die erst unter Friedeburgs Nachfolger, Kultusminister (von 1974 bis 1984) Hans Krollmann, in ruhigere Bahnen gelenkte Bildungspolitik, welche die um Rückbesinnung auf tradierte Werte bemühten bürgerlichen Gegenkräfte aktivierte und den in Hessen lange Zeit unangefochten regierenden Sozialdemokraten in der bisher eher randständigen CDU einen zunehmend an Profil gewinnenden Konkurrenten zur Seite stellte. Dies galt in verstärktemMaß, seitdem dort der dynamische und kämpferisch agierende Fuldaer Oberbürgermeister Alfred Dregger (1920–2002) 1967 den Parteivorsitz (bis 1982) übernommen hatte. Unter Dregger formierte sich die hessische CDU in wenigen Jahren – früher als alle anderen Landesverbände der Union – zu einer betont antisozialistischkonservativen Alternative gegenüber der seit Anfang der 1970er Jahre gerade in Hessen stark nach links rückenden Sozialdemokratie. Zwischen den Landtagswahlen von 1966 und 1974 konnte die CDU in Hessen ihren Stimmenanteil von 26,4 Prozent auf 47,3 Prozent steigern. Fast ein Jahrzehnt lang blieb die Union stärkste politische Partei im einstmals «roten» Hessen.
     
    Umweltpolitik und Etablierung der «Grünen».
Zur Regierung gelangten die Christdemokraten in Wiesbaden jedoch vorerst nicht. Zunächst löste der aus Kassel stammende Betonfacharbeiter Holger Börner den 1976 wegen Milliardenverlusten der
Hessischen Landesbank
zurückgetretenen Albert Osswald

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