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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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plötzlich klick, und ich bin wieder normal.«
    »Meinetwegen«, sagte er. »Aber halt dich vom Wodka fern.«
    »Großes Pfadfinderehrenwort«, sagte ich und dachte an Jane und Maiwochenfeten.
     
    The Alchemist and Barrister hatte eine niedrige Decke und war dunkel und anheimelnd. Der Barkeeper kannte mich anscheinend und zwinkerte mir mit der reservierten Freundlichkeit vieler Menschen zu, die in Universitätsstädten arbeiten. Ihr Studenten seid alle Wichser, bedeutet dieses Zwinkern, aber ihr laßt Geld hier, also tun wir so, als würden wir euch für cool und interessant halten.
    Steve und ich setzten uns draußen unter eine Markise, tranken erfrischend kühles, englisch gezapftes Bier und beobachteten die Passanten. Am Nebentisch saßen zwei Männer in kurzärmligen karierten Hemden, studierten einen Stadtplan und stritten sich über die beste Route.
    »Hier kommen bestimmt Unmengen von Touristen her, was?«
    Steve zuckte die Achseln. »Für New Jersey schon, schätz ich.«
    »Ohne Sonnenbrillen könnten die beiden mit dem Stadtplan garantiert mehr anfangen«, sagte ich und stieß selbstzufrieden eine Rauchwolke aus. »Aber Touristen sind wahrscheinlich überall gleich.«
    Steve nickte geistesabwesend und trank einen Schluck Bier.
    »Ich weiß, du wirst mich für wahnsinnig halten«, sagte ich, »aber im Moment bin ich richtig glücklich.«
    »Ach ja?« Steve klang überrascht. »Wieso denn das?«
    »Das würdest du doch nicht verstehen.«
    »Kommt auf den Versuch an.«
    »Ich bin glücklich, weil du vorhin gesagt hast, du hättest noch nie von Adolf Hitler gehört.«
    »Und das macht dich gleich glücklich?«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Du hast noch nie die Namen Hitler oder Schicklgruber oder Pölzl gehört. Du hast noch nie von Braunau gehört, du hast noch nie …«
    »Braunau?«
    »Braunau am Inn in Oberösterreich. Das sagt dir nichts, und deswegen bin ich der glücklichste Mensch der Welt.«
    »Freut mich für dich.«
    »Du hast noch nie von Auschwitz oder Dachau gehört«, quasselte ich weiter. »Du hast noch nie von den Nazis gehört. Du hast noch nie von …«
    »Hey, hey, hey, jetzt mach aber mal ’n Punkt«, sagte Steve. »Ich bin vielleicht nicht Mr. Allwissend, aber was soll denn der Scheiß, ich hätte noch nie von den Nazis gehört?«
    »Wieso? Hast du doch nicht, oder?«
    »Sag mal, hast du einen an der
Waffel

    Ich starrte ihn an. »Aber du kannst nichts von ihnen gehört haben. Das ist ausgeschlossen.«
    »Verstehe«, sagte Steve und wischte sich Bierschaum von den Lippen, »und von Gloder und Goebbels und Himmler und Frick hab ich auch noch nie gehört, was? Hey, paß doch auf!«
    Steve packte mich am Arm und fing meine Bierflasche auf. Trotzdem breitete sich zwischen uns auf dem Tisch eine Lache aus, und dunkles, kaltes Bier tropfte auf den Boden.

Politische Geschichte
    Parteigänger
     
    »Im Sterneckerbräu?« wiederholte Rudi und konnte seine angewiderte Skepsis nicht verbergen.
    Mayr lächelte. »Wir sind hier in München, Rudi. Wenn in München etwas passiert, hat es immer mit Bier zu tun, das sollte Ihnen doch bekannt sein. Hoffmanns dreitausend Republikaner versammelten sich im Löwenbräu. Lévinés Aprilrevolution begann in einer Bierhalle, das arbeitslose Gesocks von Augsburg traf sich im Kindlkeller, die letzten jüdischen Bolschewisten wurden in einer Bierhalle abgeknallt. Das alles ist doch nur logisch: In dieser Stadt wird Politik mit Bier gemacht, wie man den Krieg mit Benzin geführt hat.«
    »Und warum sollte ich mir schon wieder einen schönen Sommerabend bei einer Versammlung verdrehter Professoren und verrückter Thulisten um die Ohren schlagen?«
    »Rudi, meine Abteilung hat zuwenig Männer, auf die ich mich verlassen kann. Ich brauche bewährte Vertrauensmänner, Redner, Beobachter und Organisatoren, die diesen Splittergruppen Verstand einbleuen und die gefährlichen unter ihnen aussieben können. Ich habe neulich erst das Nachsehen gehabt, und das bei einem Stabsunteroffizier a. D., für den ich meine Hand ins Feuer gelegt hätte – Karl Lenz, EK-Träger mit Eichenlaub, tadellose Referenzen seines Majors. Ich mußte jemanden nach Lechfeld schicken, wo wir bolschewistische und spartakistische Infiltrationen befürchteten … schauen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an, so nennt man das heutzutage, dafür kann ich nichts … ich schickte Lenz also mit einem Aufklärungskommando hin, um die Lage zu sondieren und den Standpunkt der

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