Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
hierher chauffieren lassen? In ein Haus, das mir den Anschein macht, als …«
    »Warum setzen wir uns nicht und besprechen alles der Reihe nach?« schlug Hubbard vor, und ich glaubte aus seiner Stimme einen ehrerbietigen Unterton herauszuhören.
    Meine Mutter sah mich zärtlich an und strich mir immer noch übers Haar. Vielleicht suchte sie nach der Beule.
    »Hi, Mom«, sagte ich in meinem besten Amerikanisch. Mom war wahrscheinlich besser als Mutter, Mutti oder Mummy. Sie lächelte, legte einen Finger an die Lippen und führte mich wie einen gebrechlichen Greis an den Tisch.
    Brown war mit einer größeren Kaffeekanne und einer großen Platte Keksen aus der angrenzenden Küche zurückgekommen.
    Mein Vater setzte eine strenge Miene auf und sah sich mißtrauisch um: »Ich darf annehmen, daß dieser Saal über eine Abhöranlage verfügt. Ich bin zwar in den Ruhestand versetzt worden, aber Sie werden meiner Akte entnommen haben, daß ich in Washington immer noch über einigen Einfluß verfüge. In
Ihrer
Abteilung in Washington, Mr. Hubbard. Ich möchte hiermit auf Ihrem verborgenen Aufnahmegerät zu Protokoll geben, daß mich die unerhörte Behandlung, die meiner Familie und mir widerfährt, aufs tiefste verstimmt. Ich kann mir nicht im geringsten denken, was Sie sich von meinem Sohn eigentlich versprechen.«
    »Darf ich das einen Augenblick zurückstellen, Oberst Young?« fragte Hubbard und fuhr sich nervös über die Lippen.
    Oberst
Young … ich betrachtete meinen Vater eingehender. Mir war gleich so gewesen, als hätte ich einen leicht britischen Tonfall gehört, aber nicht mehr als jenen englischen Hauch, der sich auch in den Stimmen Cary Grants und Ray Millands bis zuletzt hielt. Dasselbe schleppende, rauchige Knarzen fand man bei gebürtigen Neuengländern. Mein Vater sah krank und alt aus, und von den Fotos, mit denen ich bei meiner Mutter in Hampshire aufgewachsen war, oder dem Schmalspurfilm, den sie zu Weihnachten immer zeigte,oder wenn sie sich einsam und verlassen fühlte, hätte ich ihn wahrscheinlich nicht wiedererkannt.
    »Zunächst einmal«, setzte Hubbard wieder an, »möchte ich Sie, Sir, und Sie, Ma’am, fragen, ob Ihnen die Worte ›Braunau‹ oder ›Pölzl‹ oder ›Hitler‹ oder ›Auschwitz‹ etwas sagen?«
    Mein Vater verdrehte kurz die Augen. »Nein, noch nie gehört«, sagte er dann mit fester Stimme. »Du, Mary?«
    Meine Mutter schüttelte bedauernd den Kopf.
    Hubbard ließ nicht locker. »Bitte denken Sie scharf nach, Oberst Young. Vielleicht, als Sie noch in England waren? Haben Sie diese Namen dort vielleicht gehört? Oder gelesen? Hier, so werden Sie geschrieben.«
    Er schlug sein Notizbuch auf und reichte es meinem Vater, der die Einträge studierte.
    »Süddeutsche und österreichische Ortsnamen enden oft auf ›-au‹«, sagte er mit dem nachdenklichen Stirnrunzeln eines Sherlock Holmes, »Thalgau, Thurgau, Passau und so weiter. Aber Braunau habe ich noch nie gehört. Hitler sagt mir überhaupt nichts. ›Pölzl‹ ebensowenig, fürchte ich. ›Auschwitz‹ könnte aus dem nordostdeutschen Sprachraum stammen oder aus dem Polnischen eingedeutscht worden sein. Mary?« Er schob das Notizbuch an mir vorbei meiner Mutter zu. Mir war nicht entgangen, daß die deutsche Aussprache meines Vaters akzentfrei war.
    Meine Mutter starrte die Begriffe an, als wolle sie ihnen meinetwegen Bedeutung verleihen. »Nein, tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe diese Wörter noch nie gelesen oder gehört.«
    Hubbard nahm das Notizbuch seufzend wieder an sich.
    »Ihnen ist zweifellos bekannt«, sagte mein Vater, »daß man mich langwierigen Vernehmungen unterzogen hat, als ich 1958 in diesem Land um Asyl ersuchte. Das Entlastungsverfahren zog sich über anderthalb Jahre hin. Seitdem hat mir meine Arbeit für die amerikanische Regierung höchstes Lobeingetragen. Sie wollen hoffentlich nicht meine Loyalität in Frage stellen?«
    »Nein, Sir«, sagte Hubbard fast flehentlich. »Keineswegs. Nichts läge mir ferner. Bitte glauben Sie mir.«
    »Vielleicht könnten Sie dann endlich so gut sein, mich aufzuklären, worum es hier geht.«
    »Mikey«, sagte Hubbard, »können Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Kommt drauf an.«
    »Einen ganz kleinen. Könnten Sie die Ansprache von Gettysburg aufsagen?«
    Ich schluckte. »Wie bitte?«
    »Sind Sie wahnsinnig?« stieß mein Vater hervor.
    »Die Ansprache von Gettysburg, Mikey«, sagte Hubbard und überhörte seinen Einwurf.
    »Ähm …« Ich suchte fieberhaft nach einem

Weitere Kostenlose Bücher