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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Ölporträt Gloders stehen sah, erinnerte sie Axel an jene Urbilder deutscher Weiblichkeit in Singspielen und Filmen der fünfziger Jahre.
    »Ich werde Sie nicht lange aufhalten, Herr Professor«, sagte sie. »Als Wissenschaftler wird es Ihnen kaum recht sein, wenn ich Ihnen falsche Hoffnungen mache. Ihr Vater hat Leberkrebs. Ich fürchte, er ist zu alt, als daß eine Transplantation noch sinnvoll wäre.«
    Bauer nickte. Wie alt war der alte Mann eigentlich? Neunundachtzig? Neunzig? Wie peinlich, daß er das vergessen hatte. »Wie steht es um seinen Verstand, Frau Direktorin?«
    »Er ist völlig klar. Ganz ausgezeichnet. Seit er erfahren hat, daß Sie kommen, hat sich sein Zustand sehr gebessert. Wenn Sie mir bitte folgen würden?«
    Ihre Absätze hallten durch den Korridor, als sie über den spiegelblanken Marmorboden schritten. Sie durchquerten einen auf der einen Seite verglasten Kreuzgang, der den Blick auf eine sanft geschwungene Rasenfläche freigab, die sich bis an den See erstreckte. Axel konnte alte Männer und Frauen sehen, die in der Sonne spazierengefahren wurden, jeder von seinem eigenen Pfleger in gestärktem Weiß.
    »Ihr Haus scheint hervorragend bezuschußt zu werden«, sagte er und machte eine ausladende Geste.
    »Es ist ausschließlich Reichshelden vorbehalten«, sagte Frau Mendel stolz. »Allerdings gehört diese Generation zunehmend der Geschichte an. Ich weiß nicht, was aus uns wird, wenn der letzte von ihnen stirbt. Sie wissen vermutlich,daß Ihnen aus der Beerdigung Ihres Vaters keinerlei Unkosten entstehen?«
    »Er bekommt also ein Staatsbegräbnis?«
    Sie wiegte den Kopf hin und her. »Im Prinzip ja. Offiziell ist es ein Staatsbegräbnis. Natürlich. Aber heutzutage …« Sie breitete bedauernd die Arme aus.
    »Oh, das macht überhaupt nichts«, versicherte Axel ihr. »Mir ist eine Feier im kleinen Kreis lieber. Ehrlich.«
    »Da wären wir«, sagte Frau Mendel und blieb vor einer großen, nilgrün gestrichenen Tür mit Ziergiebel stehen. »Die Zimmer des Freiherrn.«
    Mit dem Mittelfingerknöchel klopfte sie dreimal laut an und trat ein, ohne ein »Herein!« abzuwarten.
    Axels Vater saß zusammengesunken in einem Rollstuhl. Sein Kopf ruhte auf der Brust, und er schlief tief und fest.
    Axel hätte ihn nicht wiedererkannt; nicht in tausend Jahren. Aus dem lebhaften, weißbekittelten Vater seiner Kindheitserinnerungen war der Inbegriff eines alten Mannes geworden. Er hatte die gelbe Haut eines alten Mannes, die knochigen Beine, den sabbernden Mund, das rasselnde Luftholen und die Haarbüschel eines alten Mannes, und alles zusammen erfüllte das Zimmer mit dem unverkennbaren Geruch eines alten Mannes. Auf unbestimmte Weise war sogar das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel, von jener hellen, stechenden Wärme, die es nur in Altenheimen gibt.
    Frau Mendel gab seiner Schulter einen leichten Stups. »Herr Freiherr! Ihr Sohn ist angekommen. Ihr Sohn Axel ist da.«
    Langsam hob sich der Schädel des alten Mannes, und Axel sah seinem Vater in die wäßrigen Augen. Doch, in diesen Augen lag etwas, das er vielleicht wiedererkannt hätte. Unter den Pupillen lagen zwar dicke gelbe Tränensäcke, die die Iris schrumpfen ließen, aber in den bewölkten kobaltblauen Ringen lag eine Persönlichkeit, die Axel als die seines Vaters erkannte.
    »Hallo, Papa!« sagte er und merkte überrascht, daß ihm Tränen in die Augen schossen.
    »Milch.«
    »Milch?«
    »Milch!«
    »Milch? Möchtest du Milch trinken?« Axel wandte sich ratlos an Frau Mendel.
    »Er ist noch etwas schlaftrunken. Wenn er aus seinem Mittagsschlaf aufwacht, trinkt er gewöhnlich ein Glas warme Milch.«
    »Papa, ich bin’s, Axel. Dein Sohn Axel.«
    Axel verfolgte, wie sich die Wolken vor den Augen langsam verzogen.
    »Axel. Du bist gekommen.« Die Stimme klang brüchig und wie beschlagen, aber Axel kannte sie und fühlte sich schlagartig in seine Kindheit in Westfalen zurückversetzt. Plötzlich überwältigte ihn die Liebe zu diesem Mann, überwältigte ihn mit aller Macht und überwältigte ihn vor allen Dingen, weil er sie sich nicht zugetraut hätte.
    Eine kalte Hand tätschelte ihn. »Danke, daß du gekommen bist«, sagte sein Vater. »Das war sehr höflich.«
    »Höflich, red doch nicht. Ich bin gern gekommen.«
    »Blödsinn. Es war höflich. Ich möchte, daß du mich nach draußen schiebst. In den Garten.«
    Frau Mendel nickte zustimmend und hielt ihnen die Tür auf, während Axel den Rollstuhl auf den Flur

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