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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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zusammen, als müßte ich mir die Szene erst wieder vergegenwärtigen. »Ich glaube, er hatte eine Brille in der Westentasche stecken. Doch, da bin ich sogar ziemlich sicher.«
    »Und welche Farbe hatten diese eindrucksvollen Augen?«
    »Das strahlendste Blau, das Sie je gesehen haben. Gewissermaßen jünger als sein Teint, wenn Sie sich darunter etwas vorstellen können. Ein eisiges Kobaltblau.«
    »Und sein Bart? War der weiß oder grau?«
    Bart! Zum Geier …
    Das konnte brenzlig werden. Als ich ihn in Cambridge kennengelernt hatte, trug er einen Vollbart, aber das war ja ein ganzes Leben her. Damals war er noch Leo Zuckermann und lebte mit der Identität, die ihm sein Vater aufgebürdet hatte. Es war eine jüdische Identität gewesen, und Leo hatte sie bis aufs I-Tüpfelchen gespielt. Aber ob er auch hier einen Bart hatte? In Princeton hatte ich kaum ältere Männer mit Vollbärten gesehen. Er durfte natürlich nicht auffallen. Wenner andererseits in Deutschland glattrasiert gewesen war, hatte er sich in den Staaten vielleicht gerade für seine neue Identität einen Bart stehen lassen. Das war eine ganz schön harte Nuß.
    »Eine einfache Frage, junger Mann«, sagte Brown. »War sein Bart weiß oder grau?«
    »Das mag eine einfache Frage sein«, sagte ich und runzelte verwirrt die Stirn. »Aber wissen Sie, ich muß erst mal rausfinden, ob das eine Fangfrage ist, weil Sie mich für einen Lügner halten, oder ob der Mann, den Sie kennengelernt haben, einen Bart hatte, dann muß der Typ im Zug nämlich doch jemand anders gewesen sein. Der war jedenfalls glattrasiert. Sein Haar war silbergrau, Salz und Pfeffer nennen Sie das, glaub ich. Sein Haaransatz war ungefähr hier.«
    »Und wenn wir Ihnen eine Reihe von Fotos vorlegten, würden Sie ihn wiedererkennen.«
    »Aber hundert pro«, sagte ich wieder selbstbewußt. »Das Gesicht vergeß ich garantiert nie wieder.«
    Brown setzte sich zum erstenmal an den Tisch. »Also, Sohnemann«, sagte er, »ich muß gestehen, als ich Sie fragte, woher Sie von Braunau wüßten, hatte ich keine Ahnung, was Sie sich aus den Fingern saugen würden. Sie können sich denken, daß Professor Taylor uns von Ihnen erzählt hat. Er meinte, an der Geschichte wäre etwas faul und wir sollten Sie mal ins Gebet nehmen. Wir haben uns erlaubt vorbeizukommen und sind Ihnen gestern nachmittag durch die Stadt gefolgt. Als Sie anfingen, auf offener Straße von den Hitlers und Braunau am Inn und so zu erzählen, da ging mir echt die Düse, das kann ich Ihnen flüstern. Ich fand es unglaublich, daß ein Student diese Namen kennen und trotzdem noch bei klarem Verstand sein sollte. Aber Ihre Erklärung ist wohl die einzig stichhaltige. Sie haben einem alten Mann zugehört, der im Schlaf geredet hat. Darauf hätte ich eigentlich selber kommen müssen. Wie hat Sherlock Holmes immer gesagt? Wenn man das Unmögliche erst einmal eliminiert hat, mußdas, was übrigbleibt, die Wahrheit sein, selbst wenn sie noch so unwahrscheinlich klingt.«
    Jetzt stand Hubbard auf. Er zog die Vorhänge zurück, die Morgensonne schien direkt herein und stach mir in die Augen. Auch mein Vater erhob sich unsicher.
    »Dann können wir unseren Sohn jetzt mit nach Hause nehmen?«
    »Sie können tun und lassen, was Sie wollen, Oberst Young. Es tut mir leid, daß wir Ihnen solche Scherereien gemacht haben. Aber Sie haben die Geschichte ja gehört und werden mir zustimmen, daß wir der Sache nachgehen mußten.«
    »Ja, verstehe.«
    »Und
Sie
verstehen hoffentlich, was für einen Eid Sie abgelegt haben, Mikey.«
    Ich nickte, stand ebenfalls auf und streckte mich. In der kühlen Morgenluft bekam ich eine Gänsehaut an den Beinen. Ich konnte es kaum fassen, daß ich immer noch in denselben Chino-Shorts steckte, die ich vor fast vierundzwanzig Stunden angezogen hatte.
    Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Was ist eigentlich aus Steve geworden?« fragte ich. »Was haben Sie ihm angetan?«
    »Angetan? Gar nichts haben wir ihm angetan, Mikey. Er ist längst wieder in seinem Wohnheim auf dem Campus.«
    »Übrigens irren Sie sich, wissen Sie«, sagte ich. »Mit Ihrem Verdacht auf Homosexualität, meine ich. Ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie darauf kommen konnten, aber es stimmt nicht. Es ist einfach nicht wahr.«
    Brown sah mich aufmerksam an. »Nein? Nun, vielen Dank für diese Information, Mikey.« Er nickte mir nachdenklich zu, und mir lief ein Schauer über den Rücken, als er sich an meinen Vater wandte. »Wollen Sie direkt nach Hause,

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