Geschichte machen: Roman (German Edition)
Oberst Young? Wir haben im Peacock Inn in Bayard Lane Zimmer für Sie reserviert, prima Laden, angenehme Atmosphäre, falls Ihnen das recht ist.«
Ich drehte mich rasch zu meinem Vater. »Das ist eine tolleIdee, Dad, Sir …« Scheiße, wie redete ich ihn eigentlich an? »… Ich finde, da sollten wir frühstücken. Ist doch viel besser, als erst die ganze Strecke nach Connecticut zu fahren.«
O nein, keine zehn Pferde würden mich aus Princeton wegbringen. Nicht bevor ich Bauer gefunden hatte. Zuckermann. Egal, wie er jetzt hieß. Egal, wo er jetzt war.
Geheimgeschichte
Ein einsames Leben
»Ja, so lasse ich es mir gefallen«, sagte meine Mutter, als wir im engen Foyer des Peacock Inn standen und die Dielen unter ihren Schuhen knarrten.
»Wie in einem englischen Hotel«, stimmte mein Vater zu und nickte anerkennend.
Ein englisches Hotel, dachte ich. Von wegen.
Weißgestrichene Stufen führten uns zu einer Außenveranda empor, auf der immer die Großmütter im Schaukelstuhl sitzen und stricken, während in dem flachen Gang darunter die Enkelkinder ihre Baseball-Sammelkarten verstecken. Drinnen gab es keinen Kunststoff, kein Rauchglas, keine Nylonteppiche, keine imitierten Rattanmöbel, keine grauen Treppenläufer, keine billigen Reproduktionen an den Wänden, keinen blaßgrünen Pseudochintz, keine Sammlungen zweitklassiger Drucke in aschgrauen Rahmen, keinen fiependen Computerdrucker hinter der Rezeption, kein cremefarbenes Plastikfallgitter über einer prompt geschlossenen Bar, kein Erdnußklappern in Staubsaugern, die am Ende der Flure in Wäschekammern aufheulten, kein Geruch nach der »Kubanischen Nacht« des Vorabends, kein Gefühl von Personalmangel und armen Würstchen in Polyesterhosen – statt dessen war es angenehm halbdunkel, heimelig und auf ungezwungene, schmucklose Grandma-Moses-Weise elegant und stilvoll.
»Wann warst du das letzte Mal in einem englischen Hotel?« fragte ich meinen Vater. Er gab ein unverbindliches Schnauben von sich, und wir gingen in den Speisesaal. Vielleicht waren die Hotels unter der Nazi-Hegemonie noch Agatha-Christie-Paläste oder fröhliche Margaret-Lockwood-Pensionen. Wer’s glaubt, wird selig.
Das Frühstück war klasse. Kein Ahornsirup, den man auf Schinkenstreifen und ›berühmten Pfannkuchen‹ verteilen mußte, aber dafür große, weiche Milchbrötchen, Plundergebäck mit Zuckerguß, Krüge voller Saft, Kaffee in riesigen Porzellanbechern und ein großer Obstteller. In einem englischen Hotel hätte man das wahrscheinlich eine »Schale mit frischen Früchten« genannt, aber hier stellte die Bedienung, die auch nach der Eigentümerin aussah, einfach alles auf den Tisch und sagte: »… und dann hab ich noch einen Teller Obst für Sie.« Das gefiel mir.
Ich biß in ein Brötchen, und eine saftige Blaubeere, von deren Versteck ich nichts geahnt hatte, platzte mir im Mund.
»Mm«, sagte ich, »ich hab gar nicht gemerkt, daß ich solchen Hunger hatte.«
»So ist’s richtig, Bübchen. Lang nur kräftig zu«, sagte meine Mutter, schnitt eine Weintraube entzwei und führte die eine Hälfte mit spitzen Fingern zum Munde.
Mein Vater nahm ein Kuchenstück in Angriff, auf dem eine halbe Aprikose thronte und wie Eigelb aussah, und sagte: »Der junge Mann, der uns hergefahren hat, kommt erst in sechs Stunden wieder her. Wir können also alle noch eine Mütze Schlaf nehmen, bevor wir nach Hause fahren.«
»Apropos«, meinte ich, »ich glaube, ich bleib gleich hier.« Meine Mutter ließ klirrend ihr Messer auf den Teller fallen und sah mich ängstlich an. »Aber Schatz!«
»Nein, ehrlich«, sagte ich. »Mein Gedächtnis wird schon wieder, das merk ich doch. Ich muß … wißt ihr, ich hab zu tun. Ich muß einiges nachholen.«
»Aber du bist noch nicht wieder auf dem Damm. Du mußt dich doch erst einmal erholen. Dein Gedächtnis kannst du genausogut zu Hause aufpäppeln. Wenn nicht besser. Und stell dir vor, wie sich Bella freuen würde. Ihr könntet wieder wie früher durch die Gegend ziehen.«
Bella? Wer war denn das nun wieder?
»Ich schreib ihr«, sagte ich und tätschelte meiner Mutter die Hand. »Das wird sie schon verstehen.«
Meine Mutter ließ meine Hand los, als hätte sie etwas gestochen, und schrie auf. »Bübchen! Siehst du, du phantasierst ja richtig.«
»Nein, Mom. Mir geht’s prima. Ehrlich.«
»Aber dein Gehirn funktioniert noch nicht richtig. Einem Hund zu schreiben, ist einfach nicht normal, und das weißt du auch ganz
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