Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
offensichtlich nichts, also hab ich mich wohl verhört. Und der andere Name, den Sie eben erwähnt haben, tauchte auch auf. Kremer? Aber bei ihm war’s der volle Name. Johann Paul Kremer, da bin ich ziemlich sicher. Und Auschwitz. Und noch etwas, das klang wie Dachau, aber das sagt Ihnen anscheinend auch nichts. Jedenfalls, ich hab also diese Wörter mitgeschrieben und angefangen, daraus eine Geschichte zu basteln. Der Typ war eindeutig ein Deutscher, und er war ein alter Mann. Aber er nannte auch ein paar englische Ausdrücke. Britische, mein ich. Cambridge University. St. Matthew’s College. Hawthorn Tree Court. King’s Parade. All so’n Zeugs. Ich konnte natürlich nichts damit anfangen, aber ich wollte mir eine Geschichte für ihn ausdenken und stellte mir vor, daß er ein Flüchtling aus der alten Nazizeit wäre. Da hab ich mich richtig reingekniet, tagelang bin ich rumgelaufen, und der alte Mann ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Seine Augen hatten etwas … Gespenstisches. Hab ich richtig Schiß vor bekommen. Ich hab mir vorgestellt, eine Kurzgeschichte oder sogar ein Drehbuch über ihn zu schreiben. Das kennen Sie bestimmt, daß man manchmal so fixe Ideen hat. Für mich war er ein deutscher Nazi, der nach England gegangen war, aber heimlich unter irgendeiner Schuld litt. Dann hab ich ein bißchen recherchiert, wo er leben und was er so treiben könnte. Wissen Sie, hab in der Bibliothek alles mögliche über das Cambridge in England gelesen. Und gestern abend hab ich mich mit ein paar Kumpels vollaufen lassen. Ich bin mit dem Kopf gegen die Wand geknallt, und seitdem ist mein Gedächtnis voll schräg. Ich bin den ganzen Vormittag rumgelaufen und steckte immer noch halb in dieser Phantasiewelt. Ich vergeß die einfachsten Sachen, die Ansprache von Gettysburg, ich meine, wo gibt’s denn so was? Aber an das schräge Zeug kann ich mich voll gut erinnern,als wäre das wirklicher als die Wirklichkeit, und meine normale Sprache ist auch den Bach runter.«
    Ich schüttelte den Kopf vor Verwunderung, als wäre ich noch immer nicht ganz aufgewacht.
    Mein Vater beugte sich vor und packte meinen Arm. »Um Himmels willen, Michael. Wie oft soll ich dir denn noch sagen, daß du dich anständig ausdrücken sollst? Warum mußt du immerzu Ausdrücke wie ›Zeugs‹ und ›schräg‹ und ›voll gut‹ und ›Typen‹ benutzen? Du studierst in Princeton, und du bringst kaum einen einzigen anständigen Satz heraus.«
    »Meiner ist genauso«, sagte Hubbard, »und der ist in Harvard.«
    »Ihr Sohn ist in Harvard und kann schon
sprechen
?« fragte ich ungläubig. »Da müssen Sie ja unheimlich stolz auf ihn sein, Sir.«
    Die angespannte Atmosphäre lockerte sich spürbar.
    Leo war von St. Matthew’s, Cambridge, nach Venedig geflohen. Dann von Venedig nach Washington. Und jetzt war er hier in Princeton. Dafür hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt.
    Dann war es auch gut möglich, daß er vorigen Monat im Zug nach New York City gesessen hatte. Etwaige Lücken konnte ich ja auf meinen Gedächtnisverlust schieben. Hubbard und Brown mußten sich ganz schön ins Zeug legen, wenn sie mir nachweisen wollten, daß ich Ihnen die Hucke vollog. Ihren Verdacht hatte ich vielleicht nicht ausräumen können, aber für wen oder was stellte ich schon eine Gefahr dar?
    »Was wollten Sie in New York, Mikey?« fragte Hubbard. Ich zuckte die Schultern. »Na, was wohl? Zu den Yankees.«
    »Sie sind Yankees-Fan?«
    »Sie sollten mal sein Schlafzimmer sehen«, sagte mein Vater. »Er hat schwarzweiß gestreifte Bettwäsche.«
    »Ach ja? Ich für mein Teil bin Fan der Brooklyn Dodgers.«
    »Irren ist menschlich«, sagte ich.
    Brown meldete sich erstmals zu Wort. »Noch mal zu dem Mann im Zug. Sie sagten, seine Augen wären Ihnen aufgefallen.«
    »Die haben mir richtig Angst eingejagt.«
    »Merkwürdig, daß die Augen eines Schlafenden solche Wirkung haben können«, sagte Brown.
    »In New York ist er aufgewacht«, sagte ich und suchte fieberhaft nach dem Namen des Bahnhofs, den Steve erwähnt hatte. Eben
nicht
Grand Central Station, das wußte ich noch. Zum
Geier
, wie hieß der bloß? Ha! Heureka! »Als wir in Penn Station eingefahren sind, ist er aufgewacht, und ich konnte seine Augen sehen. Und wissen Sie, außer diesem … wie soll ich sagen … Monolog hatte er …«
    »Hatte er denn keine Brille auf?« Brown klang überrascht. »Nein«, sagte ich im Brustton der Überzeugung. »Obwohl
    … jetzt, wo Sie’s sagen …« Ich kniff die Augen

Weitere Kostenlose Bücher