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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Fenster schien die gleißende Sonne, vom Fluß reflektiertes Licht kräuselte sich an der Decke, und die weißen Spots moderner Halogenleuchten wurden auf die wohldurchdacht gehängten Gemälde und Kunstdrucke an den weißgetünchten Wänden gebündelt. Im ganzen Zimmer standen auf Simsen, Borden, Tischen und Kopramatten sauber ausgerichtete Kaktuspflanzen. Ein riesiges Exemplar aus Arizona, das an die Cartoons von Gary Larson erinnerte, beherrschte die eine Zimmerecke und reckte zwei asymmetrische Arme in die Luft wie ein deformierter Verkehrspolizist. Ein verwischtes Porträt von Francis Bacon grinste von seinem Platz über dem Kamin mit zügelloser Ausgelassenheit auf ein Paar gekreuzte türkische Kavalleriesäbel an der gegenüberliegenden Wand. Über dem Raum lastete eine Bullenhitze. Über der ganzen Stadt lag eine Dunstglocke, der Himmel strahlte in unheilverkündendem, wolkenlosem Science-Fiction-Blau, aber hier drinnen wehten Heizlüfter den Kakteen noch zusätzlich trockene, hitzeflirrende Luft zu. Der Schweiß rann mir aus den Achselhöhlen in die Lücke zwischen Shorts und Hüften. Plötzlich durchfuhr mich die entsetzte Erkenntnis, daß das noch längst nicht das Schlimmste war.
    Fraser-Stuart saß im Schneidersitz auf dem Fußboden undstreckte die Hand nach seiner Zigarrenkiste aus, ohne vom Meisterwerk in seinem Schoß aufzusehen. Als ich vor fünf Jahren zum erstenmal in diesem Zimmer saß, herrschte dieselbe sengende Hitze wie heute. Ich wäre damals fast in einem dicken Ozean aus Havannaqualm ertrunken und hatte gefragt, ob man nicht ein Fenster öffnen könne. Der alte Mann hatte traurig seine Kakteensammlung angesehen und unter dem enttäuschten Ausstoß einer Rauchwolke gefragt, ob ich denn immer nur an mich dächte. Ich hatte ihn damals für ein Arschloch gehalten, und daran hatte sich bis heute nichts geändert.
    Während er weiterlas, verfolgte ich, wie sich der Rauch aus weichen, runden, blauen Schwaden in längliche gelbe Ellipsen wie Zedernspitzen verwandelte und hoch oben unter der Decke festsetzte.
    »Muß nur meine Eindrücke auffrischen«, sagte er, als ich hereinkam. »Setzen Sie sich doch.«
    Also setzte ich mich. Und schwitzte, hechelte, juckte und brannte.
    Vermutlich kennen Sie den Ablauf eines Promotionsverfahrens. Sie reichen Ihre Dissertation bei Ihrem Doktorvater ein, dieser gibt sie an einen Gutachter weiter, der sie wiederum einem externen Prüfer schickt. Die beiden Gutachter beurteilen, ob die Arbeit allen formalen Anforderungen genügt, und in einer schlichten, aber ergreifenden Ernennungszeremonie im Senate House werden Sie vom Kanzler oder seinem sympathischen Stellvertreter zum Doktor geweiht. Nach einigem Speichellecken und Arschkriechen bei den richtigen Personen werden Sie Fellow an Ihrem College, Dozent an Ihrer Fakultät und Akademiker auf Lebenszeit. Ihre Doktorarbeit wird veröffentlicht und landauf, landab gepriesen; Sie lassen bei Rundfunkredakteuren und Fernsehjournalisten der englischsprachigen Welt durchsickern, Sie stünden für professionelle Stellungnahmen zu öffentlichkeitsrelevanten Knüllern zur Verfügung, sofern diese in Ihr Arbeitsgebietfielen; eine gutkalkulierte Reihe von Einführungen, die sich ganz hervorragend für den lukrativen Schulbuchmarkt eignen, enthebt Sie aller finanziellen Sorgen; Sie heiraten Ihre Liebste in der mittelalterlichen Pracht Ihrer College-Kapelle; Ihre Kinder wachsen zu flachsblonden und witzigen Intelligenzbolzen und außergewöhnlich begabten Skiläufern heran, und Ihre ehemaligen Studenten werden Premierminister und erinnern sich Ihres guten alten Dons für Geschichte, wenn es um die Verteilung von Kommissionsvorsitzen, Ritterschlägen und Collegerektoraten innerhalb des königlichen Verleihungsrechtes geht. Kurz und gut, Sie leben wie Gott in Frankreich.
    Ich konnte mit ansehen, wie das erste Glied dieser Kette geschmiedet wurde. Fraser-Stuart hätte das Meisterwerk schon vor einer Woche an Professor Bishop vom Trinity Hall weiterreichen sollen, aber er war einfach stinkfaul. Er war Soldat gewesen, besaß einen »brillanten Geist«, was immer das bedeuten mochte, und gehörte zu jenen schrägen Vögeln, die sich auf Militärgeschichte spezialisierten. Wie Patton, Orde Wingate und andere Militaristen mit einem Hauch von Selbstachtung gab er eine klasse Figur ab, wenn er seinen Waffenfetischismus und Hang zur Kriegskunst mit philosophischen Sentenzen und halbseidenen Arkana verbrämen konnte. Etwa eine Kreuzung aus

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