Geschichte machen: Roman (German Edition)
sein. Und sie ist immer noch Ihre Freundin? Trotz des Anschlags auf ihr Auto?«
»Ach das. Hm. Sie ist keine Spur nachtragend. Sie fand es sogar komisch.«
»Ich übrigens auch. Offen gestanden, es war ein geradezu ritterliches Kompliment. Also, besuchen Sie mich wieder einmal? Und nächstes Mal vielleicht in meinem Labor? Wie wäre das?«
»Mm!« mache ich. »Das wäre bestimmt hochinteressant.«
Er wirft den Kopf in den Nacken und lacht. »Mein Junge, ich glaube, Sie fänden es zu Ihrer Überraschung wirklich hochinteressant.«
»Aha. Ach, danke für den Kaffee … auch wenn ich gar nicht ausgetrunken habe.«
»Macht nichts. Egal, was er vorher war, jetzt ist er definitiv cool.«
Die Hölle heiß machen
Schulzeugnis I
Widerwillig faßte Klara Alois flehend am Arm.
»Du wirst doch nicht grob werden? Nicht in Rage geraten?«
»Laß mich los, Weib! Schick ihn einfach rein.«
Traurig ließ sie den Kopf hängen und verließ das Zimmer. Als sie die Flügeltür schloß, sah sie Alois nach seiner Pfeife greifen. Betrübt biß sie sich auf die Lippe: Die Pfeife war strengen und väterlichen Ermahnungen vorbehalten.
In der Diele staubte Anna ein Aquarium ab, aus dem zwei Goldfische mit triumphierend gespreizten Flossen herausglotzten. Klara nickte ihr schüchtern zu und stieg die Treppe hinauf. Die schmalen, schwarzen und glänzenden Eichenstufen keckerten unter ihren Schuhen wie eine alte Vettel.
Er lag bäuchlings auf dem Bett, hielt sich die Ohren zu und las. Trotz der knarrenden Dielenbretter hatte er ihr Kommen nicht gehört, und sie betrachtete ihn eine Weile liebevoll. Er las unglaublich schnell, blätterte ständig weiter und führte die ganze Zeit Selbstgespräche; jeden Absatz kommentierte er, lachte leise, schnappte erstaunt nach Luft und schnaubte entrüstet. Wahrscheinlich schmökerte er wieder in einem Geschichtsbuch. Bei der Geburtstagsfeier eines Schulkameraden hatte er unlängst den Bibliothekar von Linz beeindruckt, weil er mit großer Sachkenntnis vom römischen Reich sprach, während die anderen Kinder zur Klaviermusik durchs Zimmer tollten und tanzten. »Gibbon liegt völlig falsch«, hatte sie ihn tadeln gehört, woraufhin der Bibliothekar gelacht und ihm auf die Schulter geklopft hatte. Er hatte sich unter dieser Behandlung gewunden, ihn finster angesehen und sich den ganzen Nachhauseweg über bitter beklagt. »Warum müssen mich alle wie ein Kind behandeln?«
»Nun, Schatz, in seinen Augen
bist
du ein Kind. Die meisten Menschen sind der Ansicht, Kinder sollten sich wie Kinder benehmen und Erwachsene wie Erwachsene.«
»So ein Unsinn! Die Wahrheit ist doch dieselbe, egal ob sie ein zehnjähriger Junge vom Land sagt oder ein uralter Professor in Wien. Warum soll denn da mein Alter einen Unterschied machen?«
Er hatte eigentlich recht. Hatte nicht auch unser Herrgott im Tempel mit den Lehrern gestritten? Und hatte er nicht gesagt: »Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht?« Das erwähnte sie aber nicht. Es würde ihn sonst nur ermutigen, Alois hochmütige Widerworte zu geben.
Während sie ihn noch betrachtete, unterbrach er plötzlich seine Lektüre und hob den Kopf.
»Mutti«, sagte er ganz selbstverständlich, ohne sich umzudrehen.
Sie lachte. »Woher wußtest du das?«
Er drehte sich um und sah sie an. »Veilchen«, sagte er. »Du reist durch die Luft zu mir, weißt du.« Er lachte sie an und setzte sich im Bett auf.
»Ach, Dolfi!« sagte sie vorwurfsvoll, als sie seine eingerissene Lederhose und die aufgeschürften Knie sah. »Du hast dich wieder geprügelt.«
»Es ist nichts passiert, Mutti. Außerdem habe ich gewonnen, dabei war der andere viel älter und größer.«
»Jetzt mußt du dich aber waschen. Dein Vater will dich sprechen.«
Während er im Badezimmer war, legte sie ihm einen Anzug zurecht, aus dem Alois Junior herausgewachsen war. Der war ihm zwar noch etwas zu groß, aber er sah darin so schmuck und ernsthaft aus. Sie griff nach dem Buch, das er gelesen hatte, und war überrascht, als es das Jugendbuch
Die Schatzinsel
war, voll von Piraten und Papageien und Rum.
Er kam aus dem Badezimmer zurück und hatte sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Er runzelte die Stirn,als er das Buch in ihrer Hand sah. »Ich muß mich jetzt anziehen«, sagte er, ohne sich zu rühren. Seufzend verließ sie das Zimmer. Vor einem Jahr hatte sie ihn noch gebadet, und jetzt wollte er sich in ihrem Beisein nicht einmal mehr anziehen. Er kam in den Stimmbruch, und mit jedem
Weitere Kostenlose Bücher