Geschichte machen: Roman (German Edition)
Sterling Hayden als Colonel Jack Ripper und Marlon Brando als Mr. Kurtz. Ein General, der auf Mord und Totschlag steht, ist schon schlimm genug, aber einer, der sich mit seinen Kenntnissen des Taoismus, französischer Barockmusik sowie der Schriften von Duns Scotus brüstet, der ist eine echte Bedrohung der guten Weltordnung. Sollte ich je ins Feld ziehen müssen, so bitte ich flehentlich um einen Colonel Blimp, ein nettes und stolzes altes Ekel mit feschem Schnauzer, das John Buchan liest und Kierkegaard für Schwedens größten Flughafen hält, aber um Himmels willen verschont mich mit einem solchen Armleuchter, der sich selbst in den Himmel hebt, splitternacktPolo spielt und in gestochenem Latein Kommentare zu Ezra Pounds
Pisan Cantos
verfaßt.
Zu guter Letzt, als ich schon fürchtete, er werde nie zu Potte kommen, sah er auf und spritzte einen Rauchstrahl in meine Richtung wie ein Schützenfisch, der seine Beute besprüht, ein scharfer kurzer Lippenfurz.
»Wie steht’s, junger Young, haben Sie sich bereits um Beratung gekümmert?«
»Wie bitte?«
»Für den Kampf gegen Ihr Drogenproblem.«
»Mein was?«
»Sie sind doch bis obenhin mit Heroinjoints zugeknallt, Mann! Mich können Sie doch nicht hinters Licht führen. Bedröhnt mit Euphoria oder sonst einem Rauschgift, das gerade modern ist. Ich weiß, die meisten Menschen in Ihrem Alter haben dieses Problem. Ich finde, Sie sollten etwas dagegen unternehmen. Und zwar so schnell wie möglich.«
»Ähm … könnte es sein, daß Sie mich mit jemandem verwechseln, Sir?«
»Nein, ich glaube nicht. Ganz und gar nicht. Haben Sie denn eine andere Erklärung?«
»Wofür?«
»
Hier für
, Junge. Hierfür!« stieß er wütend hervor und wedelte mit dem Meisterwerk.
Für mich brach eine Welt zusammen. »Soll das heißen … es
gefällt
Ihnen nicht?«
»Gefallen?
Gefallen
? Es ist Müll. Kehricht. Statt einer These bieten Sie Käse. Das ist Eiter, Moralschleim, Kot.«
»Aber … aber … Sie waren doch der Ansicht, mein Forschungsansatz zeige in die richtige Richtung?«
»Stimmt, solange ich wußte,
daß
Sie sich in die richtige Richtung bewegen. Aber da hatten Sie auch noch nicht angefangen, irgendein modisches Salz zu schniefen oder sich Skank zu spritzen oder worauf Sie gerade stehen. Das liegt alles an diesem Film
Trainspotting
, stimmt’s? Glauben Sievielleicht, ich hätte davon nichts mitbekommen? Herrgott, das kann einen regelrecht krank machen! Richtig schlecht wird einem davon. Eine ganze gottverlassene Generation von der Sense der Discodrogen und Freizeitpuder dahingemäht.«
»Hören Sie, ich kann Ihnen versichern, daß ich mit Drogen nichts am Hut habe. Ich kiffe nicht mal.«
»Was war’s denn dann? Wie? Hm?« Er steigerte sich in einen wilden Reizhusten hinein. Ich sah ihn besorgt an, aber mit tränenden Augen bedeutete er mir wiederholt, es gehe schon wieder und ich solle ihn ausreden lassen. »Als … als wir über Ihre Arbeit gesprochen haben«, nahm er den Faden keuchend und schnaufend wieder auf, »hatte ich den Eindruck, Sie kämen gut voran. Aber das hier … dieses
Spülicht
, das ist keine wissenschaftliche Argumentation, das ist ein
Roman
und noch dazu ein absolut widerlicher. Was soll das? Hm?«
»Sind Sie sicher, daß Sie die richtige Arbeit gelesen haben?« Ich beugte mich vor, obwohl ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte. Nein, kein Zweifel, er umklammerte das Meisterwerk.
»Wofür halten Sie mich denn? Natürlich habe ich die richtige Arbeit gelesen! Wenn Sie also kein weggetretener Crackfreak sind, der infolge irgendwelcher Pilze halluziniert, woran leiden Sie dann? Obwohl … ha! … ich hab’s!« Seine Miene hellte sich schlagartig auf, er bleckte seine gelben Zähne und grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Es ist ein
Scherz
, stimmt’s? Ihre echte Doktorarbeit haben Sie irgendwo versteckt! Das ist eine neue Art Maiwochenscherz. Skh! Also wirklich!«
»Aber ich verstehe überhaupt nicht, was daran falsch sein soll!« Ich greinte fast vor Verzweiflung. Ich hatte mich an den Strohhalm geklammert, daß
er
mich zum Narren hielt.
Er starrte mich bestimmt sechs Sekunden lang ungläubig an. Sechs Sekunden. Zählen Sie mit. Unter solchen Umständen eine unendlich lange Zeit.
Ein
undzwanzig-
zwei
undzwanzig-
drei
undzwanzig-
vier
undzwanzig-
fünf
undzwanzig
sechs
undzwanzig. Ich glotzte ihn an wie ein Goldfisch und versuchte, nicht vor Frustration in Tränen auszubrechen.
»Ach du meine Güte!« flüsterte er. »Er meint das
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