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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Tag wurde er verschlossener und abweisender. Das war das Bedauerliche an Knaben, sie wurden einem so fremd. Langsam ging sie die Treppe hinab in die Küche. Dort kochte Anna gerade Tee für die kleine Paula. Klara ging ins Freie und machte sich im Garten zu schaffen. Günstigerweise lag direkt vor Alois’ Arbeitszimmer ein Blumenbeet, in dem sie Unkraut jäten konnte.
    »Herein bitte!« Alois hatte sich für die eisige Höflichkeit der Zollbeamtenstimme entschieden. Klara kniete unter dem offenen Fenster, rupfte eine Windenranke aus dem Boden und hörte, wie sich die Zimmertür öffnete und wieder schloß.
    Lange Stille. Auf seine kindische Weise tat er wieder einmal so, als läse er, während der arme Dolfi ganz verloren vor ihm auf dem Teppich stand.
    »Sind deine Schuhe schmutzig?«
    »Nein, Vater.«
    »Warum reibst du sie dann an deinen Hosenbeinen? Steh auf beiden Beinen, Junge! Du bist doch kein Storch, oder?«
    »Nein, Vater, ich bin kein Storch.«
    »Und diesen frechen Ton verbitte ich mir!«
    Wieder Stille, nur unterbrochen von theatralischem Papiergeraschel und dem trockenen Räuspern, bevor Alois abzulesen begann.
    »›Entschieden begabt, hat sich aber wenig in der Gewalt … widerborstig, eigenmächtig, rechthaberisch und jähzornig. Es fällt ihm sichtlich schwer, sich in den Rahmen einer Schule zu fügen. Er bringt unbestreitbare Anlagen mit, nur pflegt seine Arbeitslust sich immer rasch zu verflüchtigen. Belehrungen und Mahnungen werden nicht selten mitschlecht verhülltem Widerwillen entgegengenommen. Ein durch und durch unbefriedigendes Halbjahr.‹ Nun? Was hast du dazu zu sagen?«
    »Doktor Hümer. Das ist Doktor Hümers Zeugnis, nicht wahr? Er haßt mich.«
    »Es spielt überhaupt keine Rolle, wessen Zeugnis das ist! Hast du eigentlich die geringste Vorstellung davon, wieviel Geld mich die zweifelhafte Ehre kostet, dir auf der Staatsrealschule etwas beibringen zu lassen? Und das ist jetzt der Dank? ›Auch übt er auf seine Mitschüler einen keineswegs gesunden Einfluß aus. Er verlangt von ihnen unbedingte Unterordnung und gefällt sich in der Führerrolle.‹ Führer? Du könntest doch nicht einmal eine Schnitzeljagd im Kindergarten führen, Bürschchen.«
    »Was ist mit Doktor Pötsch? Was hat der zu sagen?«
    »Pötsch? Der schreibt, du hättest Talent und Leidenschaft.«
    »Na bitte!«
    »Er zeiht dich aber auch der Zuchtlosigkeit und der Faulheit.«
    »Das glaube ich nicht! So etwas würde er nie sagen! Doktor Pötsch versteht mich. Das hast du dir ausgedacht!«
    »Was unterstehst du dich? Komm her! Komm sofort her!«
    Klara schossen Tränen in die Augen, als sie die Peitsche durch die Luft pfeifen und klatschend auf den strammen Hosenboden von Alois Juniors altem Anzug fallen hörte. Dolfi brüllte wie am Spieß: »Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!« Warum konnte er sich nicht einfach fügen, wie sie es tat? Begriff er denn nicht, daß es dem Bastard um so mehr Spaß machte, je mehr er aufbegehrte?
    »Geh auf dein Zimmer und bleibe dort, bis du gelernt hast, dich zu entschuldigen!«
    »Wie du willst«, Dolfis brüchige Stimme, noch halb Kind, schon halb Mann, zitterte nicht. Nur die trotzig hochgezogeneNase verriet seinen Zorn und seinen Schmerz. »Dann werde ich erst wieder herauskommen, wenn du tot bist!«
    »Nein, tu das nicht, Schatz!« flüsterte Klara und schlang vor Kummer die Arme um den Körper, weil sie Angst hatte, Alois würde erneut zu Pnina greifen.
    Statt dessen hörte sie erstaunt ein merkwürdiges kurzes Lachen.
    »Deine Mutter mag dich verwöhnen und deiner widerwärtigen Eitelkeit schmeicheln, aber glaub mir, Adolf, das treibe ich dir schon noch aus. O ja. Und jetzt verschwinde.«
    »Wehe, du …«, sie hörte das Zittern in Dolfis Stimme. Er konnte die Tränen nur noch mühsam zurückhalten. »Wehe, du rührst sie auch nur an. Dann töte ich dich! Ich
töte
dich!«
    Unverhülltes Schluchzen.
    Alois lachte wieder. »Scher dich raus, du Wicht, bevor dein Rotz auf den Teppich trieft.«

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    Schulzeugnis II
     
    Schweiß troff mir von der Nase auf den Fußboden. Als Regenpfeifer ist man besser dran, dachte ich.
    Doktor Angus Alexander Hugh Fraser-Stuart pflegte seine lange weiße Mähne mit einem Haarnetz zu bändigen. Er trug am liebsten Seidenkimonos, Happis aus weißer Baumwolle und Pluderhosen aus schwarzem Satin. Seine Wohnung, weiträumige Gemächer in einer Ecke des Franklin-Gebäudes mit Blick auf den Cam, war lichtdurchflutet: Durch die

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