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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ihre Energie darauf verwenden, nach den größten Belanglosigkeiten der Welt zu suchen und die dann zu erklären.
Kunst
zählt.
Glück
zählt.
Liebe
zählt.
Gutes
zählt.
Böses
zählt. Ich schlage die Kühlschranktür zu.
Nur
diese Dinge zählen, aber die Naturwissenschaft hat nichts Besseres zu tun, als genau diese möglichstweiträumig zu umgehen. Ich glaube, das muß noch fünf Minuten lang Wasser und Brühe aufsaugen. Ihr behandelt die Kunst, als wäre sie eine
Seuche
– scheiße, ist das heiß – oder bloß eine Angelegenheit der Evolution, und die Lust, als wäre sie – Mist, jetzt hab ich’s zerbrochen – … von euch hört man
nie
»ooh, wir haben herausgefunden, daß die Elektronen hier gut sind und die Protonen da vorne böse«, oder etwa doch? In eurem Universum ist alles wertneutral, dabei kann euch jeder Zweijährige sagen, daß nichts wertneutral ist. Arschlöcher. Schwanzlutscher. Selbstgefällige Wichser.
    »
Essen ist fertig!
«
    »Komm sofort.«
    Ich wickelte das warme Brot in Papierservietten und schenkte mir Wein nach. Und mit welch einer Verachtung sie auf ihrem hohen Roß saßen und auf alle herabsahen, die im Sumpf und Morast echter, dreckiger menschlicher Motive und Leidenschaften wateten. Denn unsere Methode ist ja »unwissenschaftlich« – natürlich ist sie das, Zuckerschnute. Wirkliche Probleme sind nicht zahlenförmig, sondern haben Menschengestalt.
    »Mm-
hm!
Das riecht aber lecker.«
    »Ich weiß, was du sagen willst«, sage ich, weil ich annehme, daß sie sich vor dem Fernseher genauso Argumente zurechtgelegt hat wie ich in der Küche. »Du glaubst, nur Naturwissenschaftler könnten die Naturwissenschaft verstehen. Und jeder, der nicht zuerst diese Initiationsriten absolviert hat, darf von vornherein nicht mitreden. Aber über Napoleon oder Shakespeare darf jeder Naturwissenschaftler mit derselben Autorität rumsülzen wie jeder andere.«
    »Autsch! Heiß!« Jane muß Zeit zum Nachdenken gewinnen, geht zum Waschbecken und läßt sich ein Glas Wasser einlaufen.
    »Ich will doch bloß sagen«, nutze ich meinen Vorteil aus, »daß wir als Erdengäste nur siebzig oder achtzig Jahre Zeithaben. Was ist dann wohl wichtiger, daß wir die physikalischen Prinzipien der Atombombe verstehen oder daß wir die niederen Motive besser verstehen, um ihren Einsatz zu verhindern?«
    »Warum nicht beides ausprobieren?«
    »Ja. Natürlich. Klar. In einer idealen Welt jederzeit. Aber jetzt mal ehrlich. Um etwas so Kompliziertes wie die Funktionsweise einer Atombombe zu begreifen, muß man ein einziges Fach lange und angestrengt studieren …«
    »Ich kann sie dir in weniger als vier Minuten erklären. Den Menschen möchte ich sehen, der mir in nur vier Minuten die Motive von Krieg und Zerstörung erklärt. Kannst du mir mal bitte die Flasche reichen?«
    »Eben! Genau.
Haargenau!
« Ich stoße mit dem Finger auf den Tisch. »Die Einfachheit der Naturwissenschaft ist eure Religion. Sie scheint euch die Antworten zu geben, aber …«
    »Pup, du hast gerade gesagt, etwas so Kompliziertes wie die Funktionsweise einer Atombombe zu begreifen, brauche Zeit und Mühe.«
    »Hab ich gar nicht.«
    »Oh, dann habe ich wohl Wahnvorstellungen. Entschuldige bitte.«
    »Ich will dir mal was sagen!« Ich verliere allmählich die Beherrschung. »Ich will ja nicht behaupten, daß mit der Naturwissenschaft etwas faul ist …«
    »Da bin ich aber froh.«
    »… aber sie kümmert sich nie um die wirklich wichtigen Dinge.«
    »Sie kümmert sich eben um die Dinge, die in den Naturwissenschaften wirklich wichtig sind. Deswegen haben wir doch wohl verschiedene Wissenschaften, oder?«
    »Ja, aber andere Wissenschaften werden nicht so blind vergöttert, als würden sie die lautere Wahrheit enthalten.«
    »Die Naturwissenschaften aber schon?«
    »Ja, das weißt du ganz genau!«
    »Ich vergöttere sie bestimmt nicht. Und du vergötterst sie allem Anschein nach auch nicht.« Sie wischt die Curryreste auf dem Teller mit Chapati auf. »Aber weißt du was, Pup? Hier in Cambridge gibt es Tausende von Naturwissenschaftlern. Du stellst mir alle vor, die ihre Wissenschaft blind vergöttern, weil sie die lautere Wahrheit verkündet, und ich laß sie wegen Hochstapelei und Inkompetenz achtkantig aus der Uni schmeißen. Was hältst du davon?«
    »Natürlich gibt das keiner von euch zu! Ihr macht alle auf demütig, skeptisch, ehrfürchtig, ›Gottes Antlitz geschaut‹ und den ganzen Scheiß, aber letztendlich, ich meine, also mir machst du

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